Der Codex Iuris Coninici des katholischen Kirchenrechts verpflichtet seine Geistlichen zu guten Sitten und Seeleneifer. Dass sich Franz-Peter Tebartz-van Elst daran hält, wird längst auch im Vatikan angezweifelt.

Berlin. Franz-Peter Tebartz-van Elst hat es in der Hand. Er könnte dem Spuk von jetzt auf gleich ein Ende bereiten. Dem Spuk, der ihn selbst ja am meisten mitnimmt, angeblich so sehr, dass er sogar körperlich von der Affäre gezeichnet ist. Träte er zurück, wäre die Aufregung vorbei, der Schaden für die Kirche eingedämmt. Aber der Bischof von Limburg tritt nicht zurück. Und tut sich und der Kirche also auch noch diesen historischen Tag an.

Donnerstagmittag, Bundespressekonferenz in Berlin. Erzbischof Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, betritt im schlichten schwarzen Anzug mit Priesterkragen die Bühne, nimmt vor dem Mikrofon Platz. Blass sieht er aus. Vielleicht liegt das an der hellblauen Wand hinter ihm. Oder er hat wenig Schlaf gehabt in der vergangenen Nacht.

Die Journalisten der Hauptstadt laden mächtige und interessante Persönlichkeiten in die Bundespressekonferenz ein, von denen sie sich knackige Zitate zu einem aktuellen Thema versprechen. Zollitsch wird entsprechend selten eingeladen. Das letzte Mal, vor zwei Jahren, durfte er was zum bevorstehenden Papstbesuch sagen, kein brisantes Thema. Doch diesmal wird sein Auftritt mit derselben Spannung erwartet, die sonst Ministern oder Parteichefs entgegengebracht wird.

Denn erst wenige Stunden zuvor hat die Hamburger Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass sie einen Strafbefehl gegen Limburgs Bischof wegen des Verdachts einer falschen eidesstattlichen Erklärung beantragt hat. Mittlerweile prüft auch die Limburger Staatsanwaltschaft, ob sie ein Ermittlungsverfahren wegen Untreue einleitet. Der Strafbefehl ist der erste gegen einen deutschen Bischof, Tebartz-van Elst ist also jetzt ein Fall für die Geschichtsbücher.

Je mehr Hiobsbotschaften aus Limburg kommen, desto mehr Gläubige wollen wissen, was die anderen Bischöfe dazu sagen. Die haben in den vergangenen Tagen Kommentare zu ihrem Amtsbruder Tebartz-van Elst vermieden. Aber Zollitsch muss nun Farbe bekennen. Und was er sagt, dürfte der Anfang vom Ende des Limburger Bischofs sein. Er spricht von Sorge, notwendiger Selbstkritik, davon, wie wichtig es für einen Bischof sei, nah bei den Menschen zu sein.

„Mit dem Strafbefehl haben wir eine ganz neue Situation“, sagt er. Er selbst werde kommende Woche für eine ohnehin geplante Audienz den Vatikan besuchen – und bei der Gelegenheit das Thema Limburg zur Sprache bringen. Von den überraschend gestiegenen Kosten von 31 Millionen Euro für das Limburger Bischofshaus sei er „genauso überrascht“ gewesen wie alle anderen. „Ich bin verwundert über diese Zahl, und das werde ich dem Heiligen Vater auch sagen.“

Ob Zollitsch einen Rücktritt des Skandalbischofs Tebartz-van Elst befürwortet oder sogar auf einen Rauswurf durch den Papst hofft, sagt er zwar nicht. Er wolle der Audienz nicht vorgreifen und „meine Vorschläge“ dem Papst persönlich sagen, nicht über die Medien. Aber auch so ist seine Botschaft eindeutig: Die Deutsche Bischofskonferenz hat die Geduld mit ihrem Problembischof verloren. Zollitsch hat abgewartet, ob Tebartz-van Elst die Affäre allein in den Griff bekommt. Noch Ende September hatte Zollitsch versichert, mit dem Limburger Bischof verbinde ihn „kollegiale Solidarität“. Davon ist jetzt keine Rede mehr. Zollitsch schaltet Papst Franziskus ein.

Es geht schief, was nur schiefgehen kann

Seit Monaten gibt es Kritik an Tebartz-van Elst, an seinem teuren Neubau auf dem Limburger Domberg und seinem autoritären Führungsstil. In dieser Woche geht nun für ihn schief, was nur schiefgehen kann. Erst die Nachricht, dass sein „Diözesanes Zentrum“ 31 Millionen statt der anfangs geplanten 5,5 Millionen Euro kosten werde. Dann die schweren Vorwürfe gegen ihn aus seinem engsten Umfeld, unter anderem vom Limburger Vermögensverwaltungsrat, der dem Bischof Trickserei und Unaufrichtigkeit bei den Finanzen vorwirft. Rücktrittsforderungen von Kirchenrechtlern, Priestern und Laien.

Und am Donnerstag nun der Ärger mit der Staatsanwaltschaft. Dabei geht es um einen Flug nach Indien. Der „Spiegel“ hatte berichtet, Tebartz-van Elst sei erster Klasse geflogen, habe das ursprünglich geleugnet und erst später eingeräumt. Der Bischof dagegen sagt, er habe gegenüber dem „Spiegel“ nicht geleugnet, erster Klasse geflogen zu sein. Es gibt aber ein Video, in dem Tebartz-van Elst zu dem Reporter sagt: „Businessclass sind wir geflogen.“ Die Staatsanwaltschaft Hamburg ist daher der Meinung, Tebartz-van Elsts Versicherung sei falsch. Sie hat einen Strafbefehl beantragt, über den ein Gericht entscheiden muss. Dem Bischof droht eine Geldstrafe – die wäre das kleinste Problem. Sollte das Gericht zu der Auffassung gelangen, Tebartz-van Elst habe die Unwahrheit gesagt, stünde er endgültig als Lügenbischof da.

Er dürfte in dem Fall auch im Vatikan nur noch wenig Unterstützung bekommen. Schon jetzt zeigen sich vatikanische Stellen irritiert bis empört über die Nachrichten aus Deutschland. Kanon 378 des Codex Iuris Canonici, des katholischen Kirchenrechts, besagt, ein Bischof müsse sich auszeichnen durch festen Glauben, gute Sitten, Frömmigkeit, Seeleneifer, Lebensweisheit und Klugheit. Er müsse einen „guten Ruf“ haben. An der Lebensweisheit und Klugheit des Tebartz-van Elst, auch an den „guten Sitten“, zweifeln inzwischen selbst seine entschiedenen Verteidiger.

Tebartz-van Elst verschanzt sich, hüllt sich in Schweigen. Wenn er doch mal ein Interview gibt, versucht er den Eindruck zu erwecken, alles sei nur ein Sturm im Wasserglas. Zuletzt sagte er der „Bild“ auf die Frage, warum sein Neubau 31 Millionen Euro kostet: „Bei der Zahl erschrickt man, das verstehe ich. Aber dahinter stehen zehn einzelne Bauprojekte. Man muss viele Details kennen, etwa die Auflagen des Denkmalschutzes.“ Ob er zurücktreten wolle? „Viele Gläubige wissen sehr wohl zu unterscheiden zwischen den Fehlern, die tatsächlich gemacht wurden, und dem, was in den Medien daraus wird.“

Welche Fehler beim Limburger Bischofshaus gemacht wurden, damit soll sich nun auch eine Sonderkommission der Bischofskonferenz beschäftigen. Tebartz-van Elst selbst hatte im September darum gebeten. Aber spätestens nach dem Zollitsch-Auftritt ist klar: Tebartz-van Elst hat den Zeitpunkt verpasst, an dem er selbst noch hätte handeln können. Über sein Schicksal wird kommende Woche in Rom beraten. Ohne ihn.