17 Mal haben die Deutschen schon einen Bundestag gewählt. Oft gab es ein „Weiter so“, manchmal auch einen konsequenten Wechsel.

Der erste Bundestagswahlkampf 1949 war auch der härteste: Der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher beschimpft Konrad Adenauer als „Lügenauer“ und dessen CDU als „Sammelbecken aller bankrotten Nationalisten“. CDU-Mann Ludwig Erhard wiederum nannte Schumacher einen „pathologischen Schwachsinnigen“ und die SPD „Rattenfänger“. Bei einer Adenauer-Rede in Nürnberg brach eine Saalschlacht aus, nach einer Wahlversammlung in Niederbayern wurde ein Kommunist erstochen. Die SPD war noch eine echte Arbeiterpartei. Adenauer gelang es, den Wahlkampf zu einer Auseinandersetzung zwischen christlicher Freiheit und marxistischem Zwang zu stilisieren. Das SED-Regime in der sowjetischen Besatzungszone und die allgemeine „Angst vor dem Russen“ kamen ihm dabei zugute. Die Union gewann knapp vor der SPD, schmiedete zum ersten Mal ein bürgerliches Bündnis mit FDP und Deutscher Partei. Am 15. September wurde Adenauer zum ersten Bundeskanzler gewählt, mit einer Stimme Vorsprung.

1953 Die Wahl war eine Abstimmung über Adenauers Kurs, über Westintegration, Wiederbewaffnung und die „soziale Marktwirtschaft“. Während Adenauer auf Konfrontationskurs zur SPD ging, argumentierte deren Spitzenkandidat Erich Ollenhauer betont sachlich, wirkte aber wenig charismatisch. Der Aufstand in der DDR am 17. Juni 1953 schürte die Angst vor dem Kommunismus und war für viele ein Argument für die Westbindung. Zudem schien der Aufschwung seit Mitte 1952 Adenauers Wirtschaftspolitik zu bestätigen. Die CDU/CSU gewinnt mit Abstand.

1957 „Keine Experimente! Konrad Adenauer“. Mit diesem Slogan erreichten die Union und der immerhin schon 81 Jahre alte Kanzler die absolute Mehrheit. Wie 1953 spielte Adenauer die Furcht vor dem Kommunismus in die Hände: Die Niederschlagung des Ungarn-Aufstands durch die Sowjetunion 1956 war in frischer Erinnerung. Die SPD und Ollenhauer hatten dem wenig entgegenzusetzen. Die Partei zog aus ihren enttäuschenden Wahlergebnissen die Lehren und machte sich 1959 in Godesberg auf den Weg von der Arbeiter- zur Volkspartei.

1961 Konrad Adenauer konnte seine Kanzlerschaft noch einmal verteidigen. Doch die SPD trat mit einem neuen Spitzenkandidaten an: Willy Brandt, damals 47 Jahre alt und Regierender Bürgermeister von Berlin. Adenauer setzte wie gewohnt auf Antikommunismus, attackierte seinen Gegenspieler mit Hinweisen auf dessen Exiljahre und nicht eheliche Geburt. Doch bei vielen Wählern kam das nicht mehr gut an. Die FDP strebte zwar die Wiederauflage des früheren Bündnisses mit der Union an, allerdings unter dem Motto „Für die CDU – ohne Adenauer“. Bei den Koalitionsverhandlungen musste sich Adenauer verpflichten, nach zwei Jahren zugunsten Ludwig Erhards zurückzutreten.

1965 Mit Erhard holte die Union mehr Stimmen als 1961 unter Adenauer. Dabei hatten Meinungsumfragen wochenlang ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen ihm und Brandt vorausgesagt, der von 62 Prominenten aus Literatur und Kunst unterstützt wurde. Erhard allerdings fehlte es aber an Tatkraft. Wenig später zerbrach seine Koalition mit der FDP an der Frage von Steuererhöhungen. Die Unionsfraktion wählte den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kurt Georg Kiesinger zum neuen Kanzler, der 1966 mit der SPD eine Große Koalition einging. Damit übernahmen die Sozialdemokraten im Bund zum ersten Mal Regierungsverantwortung.

1969 Studentenrevolte und Vietnamkrieg: Die Zeit war überreif für einen Wandel auch in Deutschland. Mit Willy Brandt übernahm erstmals ein Sozialdemokrat die Regierungsgeschäfte der Bundesrepublik. Er wollte „mehr Demokratie wagen“, stieß Sozialreformen an und brachte mit seiner sozialliberalen Koalition die „Neue Ostpolitik“, die heftig umstrittene Annäherung an DDR und UdSSR, auf den Weg. Die Union war zwar stärkste Kraft im Bundestag geblieben. Doch ein Koalitionsangebot an die FDP scheiterte – die Liberalen gingen ein Bündnis mit der SPD ein und ermöglichten so den Wechsel.

1972 Weil zwischen Regierung und Opposition im Parlament ein Patt herrschte, führte Brandt eine Neuwahl herbei. Die Sozialdemokraten setzten ganz auf ihren populären Regierungschef und machten mit dem Schlachtruf „Willy wählen“ mobil. Wieder unterstützen Schriftsteller, Künstler und andere Prominente Brandt. Mit Erfolg: Die SPD wurde mit 45,8 Prozent stärkste Kraft, die FDP steigerte sich auf 8,4 Prozent. CDU/CSU erzielten mit 44,9 Prozent ihr bis dahin schlechtestes Ergebnis. Doch Brandt galt zunehmend als amtsmüde. Sein Mitarbeiter Günter Guillaume flog als Agent Ost-Berlins auf. Brandt trat zurück, sein parteiinterner Kritiker Helmut Schmidt übernahm das Ruder.

1976 Fast wie zu Adenauers Zeiten: „Freiheit statt Sozialismus“, mit diesem polarisierenden Slogan sagte die Union der sozialliberalen Koalition den Kampf an. Angesichts anhaltender Konjunkturflaute infolge der Ölkrise und hoher Arbeitslosigkeit hielt die SPD mit dem Macher-Image des Wirtschaftsexperten Schmidt dagegen. Für die Union trat erstmals der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Helmut Kohl an. Die Rote Armee Fraktion (RAF) verbreitete Terror, entsprechend groß war das Thema Innere Sicherheit. Daneben bestimmten Renten-, Steuer- und Finanzpolitik den Wahlkampf. Schmidt blieb schließlich Kanzler, erhielt aber bei seiner Wiederwahl nur eine Stimme mehr als nötig.

1980 Nach elf Jahren an der Macht hatten sich die Gemeinsamkeiten zwischen SPD und FDP abgenutzt. Der Nato-Doppelbeschluss von 1979, bei dem der SPD-Kanzler entscheidend mitgewirkt hatte, gab der Friedensbewegung Auftrieb. Schmidt konnte sich Teilen seiner Partei von da an nicht mehr sicher sein. Doch die Union schickte den bayerischen Polit-Polterer Franz Josef Strauß ins Rennen – und schweißte die Koalitionäre damit zusammen. Die sozialliberale Koalition konnte weitermachen, doch das Bündnis bekam Risse. FDP-Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff legte ein Positionspapier vor, das einer Kampfansage an den Koalitionspartner gleichkam: Er wollte das Arbeitslosengeld begrenzen, die Arbeitslosen- mit der Sozialhilfe zusammenlegen und andere heilige Kühe der Sozialdemokratie schlachten. Die Koalition zerbrach. Lachender Dritter war Kohl, der über diesen Umweg doch noch ins Kanzleramt kam und nun die „geistig-moralische Wende“ ausrief.

1983 Kaum im Amt wollte Kohl seine Machtbasis stärken. Eine gewollt verlorene Vertrauensfrage im Bundestag führte zur gewünschten Neuwahl. Die Union wurde klar als stärkste Partei bestätigt. Doch die gesellschaftliche Stimmung war angespannt. Die Zahl der Arbeitslosen überstieg erstmals die Zwei-Millionen-Marke. Die Gewerkschaften demonstrierten gegen „soziale Demontage“. Die Supermächte USA und Sowjetunion rüsteten mit immer mehr Atomwaffen auf, in der Bundesrepublik sollten US-Mittelstreckenraketen stationiert werden. Entsprechend hart war der Wahlkampf.

1987 „Weiter so, Deutschland“ lautete der Slogan der Christdemokraten. Kein Wunder – die Koalition von Union und FDP konnte sich eine Reihe von Erfolgen zuschreiben: Mit einem harten Sparkurs hatte sie den Haushalt konsolidiert, wenn auch unter anderem durch rigide soziale Einschnitte; die Wirtschaft wuchs. Doch Pannen und Peinlichkeiten schwächten das Image von CDU-Parteichef und Bundeskanzler Kohl. In Umfragen schnitt er deutlich schlechter ab als sein SPD-Herausforderer Johannes Rau. Trotzdem reichte es noch einmal für Schwarz-Gelb.

1990 Die Ära Kohl schien bereits zu Ende zu sein, doch dann fiel die Mauer. Kohl setzte klar auf die schnellen Wiedervereinigung und wurde so zum „Kanzler der Einheit“. Sein SPD-Herausforderer Oskar Lafontaine kam mit seinen Warnungen vor den Folgen eines schnellen Beitritts der DDR nicht an. „Ich habe die Einheitseuphorie unterschätzt“, bekannte er später. Die Union wurde bei der ersten gesamtdeutschen Wahl mit 43,8 Prozent klarer Sieger. Die SPD stürzte auf 33,5 Prozent. Die FDP steigerte sich mit dem auch im Osten populären Hans-Dietrich Genscher auf elf Prozent.

1994 Bei der zweiten gesamtdeutschen Wahl sicherte Kohl seiner schwarz-gelben Koalition den Machterhalt – allerdings sehr knapp. Die SPD schickte den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Rudolf Scharping als vierten Kanzlerkandidaten seit 1983 gegen Kohl ins Rennen und gewann geringfügig hinzu. „Sicher in die Zukunft. CDU“ lautete die selbstbewusste Parole der Kanzler-Partei. Die wirtschaftlichen Probleme beim Aufbau Ost und die weit mehr als drei Millionen Arbeitslosen waren aber nicht wegzudiskutieren.

1998 Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik war es bis dato einem Kandidaten der Opposition gelungen, den amtierenden Kanzler aus dem Amt zu drängen. Gerhard Schröder war der Erste, der das schaffte und 16 Jahre Kohl beendete. Schröder setzte auf das Motto „Veränderung ohne Risiko“, Kohls Wahlslogan „Sicherheit statt Risiko“ verfing nicht. Schon in den Meinungsumfragen lag der niedersächsische Ministerpräsident durchgehend vorn, die Wechselstimmung im Land war mit Händen zu greifen. Schließlich setzte sich seine SPD mit 40,9 Prozent der Stimmen durch. Den Grünen reichten 6,7 Prozent zur ersten Regierungsbeteiligung auf Bundesebene.

2002 Die Arbeitslosigkeit – mit mehr als vier Millionen Erwerbslosen so hoch wie beim Machtwechsel – war zunächst das beherrschende Wahlkampfthema. Schröder wurde sein Satz von 1998 um die Ohren gehauen, demzufolge er eine Wiederwahl nicht verdient habe, wenn die Arbeitslosenquote nicht sinke. Den Grünen wiederum lief im Streit um Auslandseinsätze der Bundeswehr und den nur langsamen Atomausstieg die Basis weg. Doch mit zwei Schachzügen konnte Schröder das Blatt gegen Herausforderer Edmund Stoiber (CSU) wenden: Bei der Flutkatastrophe in Ostdeutschland demonstrierte er in Gummistiefeln Tatkraft. Und sein striktes Nein zu einer deutschen Beteiligung an einem möglichen Irak-Krieg verärgerte zwar die Amerikaner, freute aber die Wähler daheim. SPD und Grüne konnten weiterregieren.

2005 Noch am Wahlabend gab sich Schröder in der TV-„Elefantenrunde“ siegessicher. Angela Merkel könne nicht Regierungschefin werden: „Nun wollen wir doch die Kirche auch mal im Dorf lassen.“ Im November wählten dann Union und SPD die CDU-Vorsitzende zur ersten Kanzlerin. Die Wahl hatte zuvor ein Patt beschert. Weder die Union noch die SPD konnten mit ihren Wunschpartnern FDP und Grüne regieren. So hatten die Wähler eine Große Koalition erzwungen. Schröder und seine rot-grüne Regierung sind Geschichte. Zur vorgezogenen Bundestagswahl per gewollt verlorener Vertrauensfrage war es gekommen, weil Schröder wegen der „Agenda 2010“ keine sichere Mehrheit für seine Politik mehr sah.

2009 Am 27. September hatte Merkel es geschafft: Sie konnte mit ihrem Wunschpartner FDP eine Regierung bilden. Die SPD erlitt eine historische Niederlage. Wie die FDP erzielten Linke und Grüne Rekordergebnisse. Nach vier Jahren gemeinsamer Regierungsarbeit führten Merkel und ihr SPD- Herausforderer Frank-Walter Steinmeier einen eher zurückhaltenden Wahlkampf. Beide lobten die vier Jahre gemeinsamer Regierungsarbeit zur Bewältigung der Krise – „unter meiner Führung“, betonte Merkel. Und erntete die Früchte der gemeinsamen Arbeit.