Die CDU-Politikerin Johanna Wanka sprach mit dem Hamburger Abendblatt über den Wissenschaftsstandort Deutschland und die Rechtschreibdebatte.

Hamburg. Eben noch stand Johanna Wanka im Sand und stieß einen Spaten in den Boden. Symbolisch. In einem neuem Forschungszentrum wollen Wissenschaftler in Hamburg künftig die Struktur von Krankheitserregern entschlüsseln und damit neue Therapieansätze ermöglichen. Nach dem Spatenstich spricht die CDU-Politikerin mit dem Abendblatt über den Standort Deutschland und über das, was sie in diesem Wahlkampf aufregt.

Hamburger Abendblatt: Langweilt Sie der Wahlkampf auch, Frau Ministerin?
Johanna Wanka: Nein, ganz bestimmt nicht. Die meisten Menschen sind zufrieden und wünschen, dass es so weitergeht, sehen aber noch nicht die Notwendigkeit, das bei der Wahl mit ihrer Stimme zu bekräftigen. Ich sehe auf meinen Wahlkampfterminen die stärksten und modernsten Forschungseinrichtungen und Unternehmen im ganzen Land. Bei dieser Wahl geht es für mich auch darum, dass wir bei Forschung und Innovation an der Spitze bleiben.

Aber regt Sie auch ein Thema auf?
Wanka: Wenn ich an die Steuererhöhungspläne der Opposition denke, regt mich das in der Tat auf. Das vernichtet Arbeitsplätze. Wir sind weltweit die viertstärkste Industrienation, obwohl nur 1,2 Prozent der Weltbevölkerung bei uns leben. Aber das kommt nicht von allein – und das bleibt auch nicht so, wenn wir Unternehmer zu stark belasten. Gerade bei zukunftsstarken Themen wie Gesundheits- und Energieforschung warten auf uns große und auch teure Herausforderungen.

Und die SPD sagt, wie sie das mit einer Vermögenssteuer auch finanzieren will.
Wanka: Eine Vermögenssteuer ist kontraproduktiv. Geld für Technologie, Infrastruktur und Forschung, also die klaren Stärken Deutschlands, wird von den Menschen und der Wirtschaft erarbeitet. Wir haben im Moment eine starke Bewegung in Richtung Deutschland als Wissenschaftsstandort. Das war über viele Jahre nicht so und ist im Wettstreit mit den USA und China eine tolle Errungenschaft. Deutschland ist Industrieland geblieben, auch in der Krise. Wenn wir diese industrielle Basis in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung jetzt einschränken, verschenken wir große Chancen.

Derzeit studieren so viele junge Menschen wie nie zuvor. Wirtschaftsverbände sagen: Das geht am Arbeitsmarkt vorbei, Deutschland braucht mehr Auszubildende. Trifft die Kritik zu?
Wanka: Ich bin dagegen, dass wir die duale Ausbildung und die akademische Ausbildung gegeneinander ausspielen. Ab 2025 wird es aufgrund der sinkenden Geburtenraten immer weniger Studenten in Deutschland geben. Heute bilden wir also die Mediziner, Rechtsanwälte und Ingenieure aus, die wir in zehn oder fünfzehn Jahren dringend benötigen. Wir müssen jeden jungen Menschen, den wir haben, maximal bilden und ausbilden. Deshalb ist es auch schade, dass so viele Studenten ihr Studium abbrechen.

Was kann und sollte man Ihrer Meinung nach dagegen tun?
Wanka: Wir müssen uns stärker um die kümmern, die abbrechen. Wer vier Jahre Bauingenieurswesen studiert hat und dann durch die Mathe-Prüfung fällt, ist trotzdem ideal vorbereitet für einen Beruf in der Baubranche. Gleichzeitig geht es darum, die duale Ausbildung attraktiver zu machen, indem sie auch den Weg in das Studium öffnet. In Niedersachsen haben wir durchgesetzt, dass junge Menschen ohne Abitur studieren können, wenn sie bereits drei Jahre im Beruf gearbeitet haben – ohne Eingangsprüfung und ohne Probesemester. Die europäischen Austauschprogramme für Azubis machen die Ausbildung noch attraktiver. Leider wurde in Deutschland über viele Jahrzehnte intellektuelle Arbeit mehr geschätzt als praktische Arbeit. Jetzt gibt es großes Interesse aus dem Ausland, und das zeigt noch mal: Die berufliche Bildung ist eine ganz starke Säule.

Wird der Bund künftig stärker mit Universitäten kooperieren – oder bleibt das Verbot?
Wanka: Der weltweite Konkurrenzkampf um Standorte in Lehre und Forschung wird härter. Es geht nicht, dass einerseits Forschungszentren – wie hier in Hamburg das Desy – von Bund und Land gemeinsam gestaltet und finanziert werden und für die Hochschulen die Länder die Entscheidungen ganz alleine treffen. Auch für diesen Bereich benötigen wir gemeinsame Strategien. Der Gesetzesentwurf dafür liegt im Übrigen schon auf dem Tisch. Aus wahltaktischen Gründen blockieren hier die rot-grün regierten Bundesländer.

Auch in Hamburg gibt es eine Debatte darüber, wie gut Schüler schreiben lernen. Manche sprechen von der „Rechtschreibkatastrophe“. Haben die Schulen versagt?
Wanka: Ich würde nie sagen, dass die Schulen versagt hätten. Jedes Land muss entscheiden, mit welchen Methoden Lehrer ihren Schülern das Schreiben beibringen. Die aktuellen Berichte geben sicher Anlass, bestimmte Lernmethoden kritisch unter die Lupe zu nehmen.

Eltern und Lehrer verlangen faire Chance auf einen Schulwechsel zwischen den Bundesländern.
Wanka: Das ist ein wichtiges Thema. Nur ein Beispiel: Bei der Ausbildung von Lehrern heißt es in den Ländergesetzen, dass die Ausbildung in einem anderen Bundesland anerkannt werden kann. Aber was heißt denn „kann“? Hier zeigt sich, wie der Bund auch in der Bildungspolitik Impulse setzen kann. Die Länder haben im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung eingewilligt, bis zum Ende des Jahres verlässliche Regeln für einen Arbeitsplatzwechsel von Lehrern zu schaffen. Nur wenn das gelingt, wird auch Geld aus dem Programm in das entsprechende Land fließen.

Forscher in Deutschland klagen über eine Zunahme befristeter Verträge. Wird das Wissenschafts-Prekariat zum Standort-Problem?
Wanka: Nein. In anderen Ländern gibt es zwar deutlich mehr unbefristete Verträge für Forscher – doch die sind rechtlich viel leichter aufzukündigen als in Deutschland. Das geht bei uns nicht. Wichtig ist, dass die Forschungseinrichtungen und Universitäten auf sehr kurze Verträge etwa über ein halbes Jahr verzichten. Und dass sie für die Wissenschaftler verlässliche Perspektiven schaffen.

Politik lebt davon, komplizierte Sachverhalte einfach zu erläutern. Ihre Mathe-Doktorarbeit trägt den Titel: Lösung von Kontakt- und Steuerproblemen mit potenzialtheoretischen Mitteln. Können Sie uns das erklären
Wanka: Ja, wenn ich es extrem vereinfache: Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Weihnachtsbraten mit verschiedenen Füllungen im Ofen, den sie im Inneren auf eine bestimmte Temperatur erhitzen wollen. Dann stellt sich die Frage: Wie groß muss die Außentemperatur sein? Bei uns ging es natürlich nicht um einen Braten.