Mehr als 200.000 Beschäftigte mussten 2012 länger arbeiten. Sozialverband beklagt Kaufkraftverlust bei Ruheständlern

Berlin. Die Rente mit 67 stößt bei Arbeitnehmern auf wenig Gegenliebe. Doch alles Klagen nützt nichts: Seit Anfang 2012 ist die Erhöhung des Renteneintrittsalter Realität. Beschäftigte ab dem Jahrgang 1947 müssen über ihr 65. Lebensjahr hinaus arbeiten – es sei denn, sie nehmen Abschläge in Kauf. Nun liegen erstmals Zahlen vor, wie viele Arbeitnehmer aus dem Jahrgang 1947 betroffen waren. Demnach mussten 2012 rund 202.000 Beschäftigte länger arbeiten, wie aus einer Antwort des Arbeitsministeriums auf eine Anfrage der Linkspartei hervorgeht. Genau 201.941 Arbeitnehmer waren 65 Jahre und einen Monat alt, als sie sich zwischen Januar und Oktober 2012 in den Ruhestand verabschiedeten. Weitere 1415 Personen gingen mindestens zwei Kalendermonate nach Vollendung des ihres 65. Lebensjahres in Rente. Damit waren im vergangenen Jahr rund 30 Prozent des Jahrgangs von der Rente mit 67 betroffen.

„Hunderttausende müssen schon länger arbeiten. Auf der anderen Seite haben wir immer noch fast 700.000 arbeitslose Jugendliche, davon die Hälfte ohne Ausbildung. Das passt nicht zusammen“, sagte Linken-Politiker Klaus Ernst. Die Rente mit 67 wurde 2006 von der großen Koalition beschlossen. Für die Geburtsjahrgänge 1947 bis 1958 erhöht sich seit Jahresbeginn 2012 die Regelaltersgrenze des Rentenbeginns in den kommenden Jahren sukzessive um einen Monat, für die Jahrgänge 1959 bis 1964 um zwei Monate, bis 2029 das neue Renteneintrittsalter von 67 Jahren erreicht ist. Wie aus der Antwort der Arbeitsministeriums hervorgeht, gingen 2012 insgesamt 686.000 Beschäftigte in Rente. Davon waren 390.000 jünger und 91.000 genau 65 Jahre alt. Die mit der Rente mit 67 eingeführten Abschläge spielen im Moment noch keine große Rolle. Von den 91.000 Ruheständlern, die mit genau 65 Jahren in Rente gingen, mussten nur 1675 (1,8 Prozent) einen Abschlag in Kauf nehmen. Sie machten damit von folgender Regel Gebrauch: Wer mindestens 35 Jahre ins Rentensystem eingezahlt hat, kann früher in den Ruhestand gehen. Allerdings kostet das: Für jeden Monat weniger fällt ein Abschlag von 0,3 Prozent an.

„Wir müssen die Rente ab 67 aussetzen und die verlorene Generation in Ausbildung und Arbeit bringen“, sagt Ernst. Auch die SPD will Korrekturen: Arbeitnehmer, die 45 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt haben, sollen demzufolge den Lebensabend ohne Abschläge genießen, auch wenn sie jünger als 67 sind. Rentenexperten warnen indes vor einer Aufweichung: Ohne eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit sei das Rentensystem wegen der Alterung der Gesellschaft nicht finanzierbar.

Nach Berechnung des Sozialverbandes Deutschland (SoVD) haben die Renten in Deutschland seit 2004 deutlich an Kaufkraft verloren. Rentner im Westen können sich von ihren monatlichen Bezügen heute fast zwölf Prozent weniger leisten als noch vor der damaligen Rentenreform. Für den Osten beziffert der Verband den Kaufkraftverlust auf fast acht Prozent. Verbandspräsident Adolf Bauer verlangte eine Kehrtwende. Dazu gehöre unter anderem eine Anhebung des Rentenniveaus. Für die Kaufkraftverluste seien die Nullrunden und Minianpassungen der vergangenen Jahre verantwortlich, ebenso die Inflation und gestiegene Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung.