Wie Kanzlerin Merkel und Herausforderer Steinbrück das Vertrauen der Konsumenten in Lebensmittel und Finanzprodukte verbessern wollen.

Berlin. Die Politik ist für den Verbraucherschutz sensibilisiert – nicht zuletzt weil Wahlkampf ist und die Mehrzahl der Konsumenten das Vertrauen in die wohlklingenden Werbeversprechen der Anbieter verloren hat. Besonders kritisch gesehen werden Anbieter von Finanzprodukten und Lebensmitteln.

Deshalb hält Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Arbeit von Verbraucherschützern auch für unverzichtbar. „Die unabhängige Beratung der Verbraucherzentralen ist von allergrößter Bedeutung“, sagte die Kanzlerin am Montag beim Deutschen Verbrauchertag in Berlin. Auch sie hält es für bedenklich, dass das Vertrauen der Verbraucher durch die Finanzkrise und Lebensmittelskandale gelitten habe.

„Wir müssen Leitplanken setzen“, sagte sie. Dies habe die Bundesregierung auf vielen Feldern auch schon getan. Bei allen Gesetzen binde sie die Verbraucherzentralen mit ein. „Die Zeit der Katzentische für Verbraucherschützer ist vorbei“, versicherte Merkel unter Hinweis auf regelmäßige Treffen im Kanzleramt.

Dass das Vertrauen der Konsumenten in Deutschland mehr und mehr schwindet, zeigt eine am Montag vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) vorgestellte Infas-Studie: Zwei von drei Konsumenten gehen demnach davon aus, dass es im Finanzbereich (63 Prozent) und bei Lebensmitteln (62 Prozent) Produkte und Anbieter gibt, die Verbraucher täuschen und schädigen können. Die Mehrheit der Befragten erwartet nicht, dass Staat oder Wirtschaft für einen verbraucherfreundlichen Markt sorgen.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück will den Schutz der Konsumenten sehr viel weiter als bisher fassen. „Verbraucherschutz ist mehr als Lebensmittel- und Tierschutz“, sagte er. Mit einem Seitenhieb auf die derzeitige Konstruktion fügte er an, das Thema sei wohl „in einem Landwirtschaftsministerium nicht ganz so ideal aufgehoben“. Er ließ aber offen, ob er den Verbraucherschutz bei einem Wahlsieg im Herbst einem eigenständigen Ministerium zuordnen will. Für den Verbraucherschutz ist auf Bundesebene Ilse Aigner (CSU) zuständig.

„Funktionierende Märkte brauchen einen sehr starken Verbraucherschutz“, sagte Steinbrück. Zuständig für das Thema in seinem Kompetenzteam ist die frühere Bundesjustizministerin Brigitte Zypries. Dass auch Kanzlerin Merkel beim Mieterschutz sich zur SPD-Position durchgerungen habe, komme zwar spät, sei dennoch erfreulich, sagte Steinbrück. Die verbraucherpolitischen Ziele der SPD decken sich nach den Worten Steinbrücks weitgehend mit denen der Verbraucherschützer. Dazu gehört ein bei den Verbraucherzentralen angesiedelter Finanzmarktwächter mit eigenem Initiativrecht. Diese Forderung hatte Merkel zurückhaltend kommentiert.

Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Gerd Billen, begründete die Forderung nach Finanzmarktwächtern damit, Verbraucherschützer könnten damit besser vor „schwarzen Schafen“ in der Branche warnen. Die Bundesbürger hätten allein in den vergangenen zehn Jahren 160 Milliarden Euro durch die vorzeitige Kündigung von Kapitallebensversicherungen und Rentenversicherungen verloren. Die Verunsicherung der Kunden ist nach der Infas-Studie erheblich. 92 Prozent aller Befragten wünschen sich mehr Marktkontrollen durch unabhängige Einrichtungen. Der Riester-Beipackzettel lässt weiter auf sich warten.

Die Kanzlerin sagte zu, sich für mehr Sicherheit im Internet einzusetzen. Damit dies erreicht werden könne, brauche Deutschland aber noch Gleichgesinnte in Europa. Sie kündigte für die nächste Legislaturperiode einen neuen Anlauf für ein Urheberschutzgesetz an.

Gegen die Kritik der Verbraucherschützer verteidigte Merkel das Bemühen der Bundesregierung, bei der Festlegung neuer EU-Grenzwerte für die CO2-Effizienz von Autos auch das Gewicht zu berücksichtigen. Da sie große Autos „nicht verbieten“ wolle, sei deren Gewicht beim Schadstoffausstoß zu berücksichtigen. Viele technische Innovationen in Kleinwagen gebe es nur, weil die Entwicklung mit größeren Autos vorangetrieben worden sei, meinte die Kanzlerin. Billen hatte moniert, nach diesen Kriterien sei der Leopard-Panzer „das energieeffizienteste Fahrzeug in diesem Land“.

Gerd Billen verwies auf die Bedeutung der Verbraucher für die gesamte deutsche Wirtschaft: „Unser privater Konsum steht für 55 Prozent des Bruttoinlandsprodukts“, sagte er. „Wir sorgen für Jobs und Wachstum“, so Billen. „Für Verbraucher ist jeder Tag Wahltag“, fügte er mit Blick auf die Bundestagswahl im September hinzu. Es werde verstärkt auf ethische und ökologische Werte geachtet. „Die Zeit von ,Geiz ist geil‘ ist vorbei.“