Der ehemalige indonesische Staatspräsident B. J. Habibie hält das geplante Leopard-2-Geschäft mit Deutschland für sinnlos.

Hamburg. Der ehemalige indonesische Staatspräsident B. J. Habibie, 76, hat sich vehement gegen das geplante Panzergeschäft von Deutschland mit Indonesien ausgesprochen. Bei einem Treffen in Habibies Haus bei Hamburg sagte der ehemalige Staatschef des größten muslimischen Landes der Erde (242 Millionen Einwohner) dem Hamburger Abendblatt, dass er den von der Bundesregierung bereits genehmigten Export von 104 deutschen Leopard-2-Kampfpanzern ablehnt, weil er ihn für „sinnlos“ hält. Unterdessen wachsen in der indonesischen Regierung offenbar erhebliche Zweifel an dem offiziell mit 217 Millionen Euro bezifferten Rüstungsgeschäft, das neben der Lieferung von Leopard-Panzern auch 30 Schützenpanzer des Typs Marder sowie Berge, Brückenlege- und Pionierpanzer umfasst. Damit droht der gesamte Panzer-Deal zu platzen.

„Ich halte das Panzergeschäft für sinnlos. Wir brauchen die Leopard-Panzer nicht“, sagt der ehemalige Staatschef. „Sie wiegen 60 Tonnen. Sie sind viel zu schwer für unsere Straßen und Brücken. Sie machen alles kaputt. Wir haben in Indonesien eine eigene Panzerproduktion. Diese Panzer sind leicht, sie wiegen zwölf bis 15 Tonnen.“ Die ließen sich nötigenfalls auch gegen Kriminelle oder Aufständische einsetzen. Wenn diese die nach dem Sturz des verhassten Diktators General Suharto unter Habibies Präsidentschaft 1998 eingeführte demokratische Verfassung des Landes mit Gewalt beseitigen wollten. Nicht gegen Demonstranten.

Eine Panzerschlacht auf einer der Pazifikinseln? So ein Szenario ist für Habibie völlig undenkbar. „Wir sind ein maritimer Kontinent aus 17.000 Inseln. Die Entfernung von Ost nach West beträgt über 5500 Kilometer – weiter als von New York nach San Francisco“, erklärt Habibie. Zu schwer und zu unbeweglich sei das Kriegsgerät aus deutschen Landen. „Wie sollen die Panzer im Falle einer ausländischen Bedrohung von einer auf die andere Insel kommen? Dazu bräuchte man entsprechende Schiffe.“ Und der Transport dauerte lange. „Der Panzer ist eine ,Sitting Duck‘, er ist aus der Luft leicht angreifbar“, gibt der Ex-Präsident zu Bedenken. Das hätten die jüngsten Erfahrungen im Arabischen Frühling gezeigt – insbesondere in Libyen, wo Panzer von Flugzeugen aus mit Raketen beschossen und zerstört wurden. „Deshalb sind Panzer in Europa nicht mehr populär“, meint Habibie. Der gelernte Flugzeugkonstrukteur hatte beim Airbus-Vorlaufer MBB in Hamburg-Finkenwerder eine Blitzkarriere gemacht, bevor er Technologieminister und danach Präsident Indonesiens wurde.

Sollte es in Indonesien tatsächlich einmal zu tief greifenden militärischen Auseinandersetzungen kommen, wäre dies ein Dschungel- oder Guerillakrieg – vergleichbar etwa mit dem Vietnamkrieg in den 60er-Jahren, betont der Ex-Präsident. „Und dort haben die USA zu keiner Zeit Panzer eingesetzt.“

Das Interesse an den deutschen Panzern habe seinen Ursprung vielmehr im Prestige-Denken einiger indonesischer Generäle. „Wenn die Nachbarländer Malaysia und Singapur so etwas anschaffen wollen, will Indonesien, das größte Land in der Pazifikregion und bevölkerungsmäßig das viertgrößte Land der Erde, so etwas auch haben“ Außerdem sei es ein gutes Geschäft – sowohl für den Käufer als auch für den Verkäufer, „der nicht zwingend ein Deutscher sein muss“, betont Habibie.

Befürchtungen von Menschenrechtlern und der Opposition im Deutschen Bundestag, die deutschen Panzer könnten in dem muslimisch geprägten Inselreich womöglich gegen christliche Minderheiten eingesetzt werden, entkräftet der Ex-Präsident. Er schließt einen solchen Einsatz aus: „Religiöse muslimische Parteien spielen in Indonesien seit der Befreiung des Landes vor 15 Jahren keine nennenswerte Rolle. Sie haben bei den Wahlen 1999, 2004 und 2009 nur sehr wenige Stimmen erhalten und sind damit an der 2,5-Prozent-Hürde gescheitert. Sie sitzen nicht einmal im Parlament.“

Im indonesischen Militär sei die Religionszugehörigkeit nicht von Bedeutung. Der oberste General der Eliteeinheit beispielsweise sei ein evangelischer Christ. Und der Verteidigungsminister des Landes, Purnomo Yusgiantoro, ist Katholik. Kleine, regional begrenzte Konflikte zwischen fundamentalistischen Gruppen – wie unlängst in Nordwestjava – werde es immer mal wieder geben. Sie seien aber die Ausnahme. In der Regierung in Jakarta reift nach Habibies Intervention offenkundig die Überzeugung, dass der Panzerkauf wohl doch keine so glänzende Idee war. Im indonesischen Verteidigungsministerium herrscht nervöse Unruhe. „Ich habe den Verteidigungsminister gefragt, ob er für den Waffenhandel ist. Er hat gelächelt. Wäre er dafür, hätte er ,Ja‘ gesagt“, sagt Habibie. Der stellvertretende Verteidigungsminister, General Sjafrie, der den Waffendeal eingefädelt habe, habe bereits die Konsequenzen gezogen und seinen Rücktritt eingereicht. Sjafrie gilt als enger Freund von General Praboro, der Schwiegersohn des 1998 gestürzten Diktators General Suharto. Gegen dessen verfassungsgemäßen Nachfolger, Staatspräsident B. J. Habibie, hatte General Prabowo 1998 einen Putschversuch unternommen. Ohne Erfolg. Doch Suhartos ehemaliger Schwiegersohn strebt weiter nach der Macht: Prabowo kandidiert für die Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr.

Angesichts der von Habibie auch gegenüber dem amtierenden Präsidenten Susilo Bambang Yodhyono geäußerten Bedenken überrascht es nicht, dass auch der indonesische Staatschef am Sinn des Panzergeschäfts zweifelt. Das Parlament schiebt die letzte Entscheidung über den Waffendeal seit Wochen vor sich her. Die Zustimmung der Abgeordneten werde immer unwahrscheinlicher, heißt es aus informierten Kreisen. Denn Habibies Stimme hat nach wie vor Gewicht: Die Bevölkerung des pazifischen Inselreichs verehrt den zierlichen Mann mit dem sanften Lächeln wie einen Popstar. Der Spielfilm „Habibie und Aynun“ nach dem gleichnamigen Bestseller des Ex-Präsidenten lockte allein in den ersten vier Wochen fast fünf Millionen Besucher in die Kinos. Davon können Filmproduzenten hierzulande nur träumen. Und die größte indonesische Tageszeitung „Kompas“, die Habibie in dessen kurzer Amtszeit stets sehr kritisch begleitete, veröffentlichte jetzt ein geradezu schwärmerisches Dossier über den ehemaligen Staatspräsidenten. Es endet mit den Sätzen: „Abgesehen von Habibies Schwächen als normaler Mensch sind seine moralische Integrität und geistige Überlegenheit, mit denen er unsere Nation in ihrer Würde gestärkt und es ihr ermöglicht hat, eine schwere und gefährliche Zeit hinter sich zu lassen, nach wie vor ein gewichtiger Baustein in unserer Geschichte. B. J. Habibie hat es verdient, für kommende Generationen als Vorbild und höchst inspirative Persönlichkeit zu dienen.“