Bundeskanzlerin Merkel glaubt an eine Million Elektro-Fahrzeuge bis 2020, lehnt Kaufzuschüsse aber ab. Pkw sollen auf der Busspur fahren. Entwicklung der Elektromobilität in Deutschland stockt.

Berlin. Die Autos laufen vom Band, doch die Entwicklung der Elektromobilität in Deutschland stockt. BMW bringt im Herbst sein erstes Elektroauto heraus, den i3. Die Karosserie besteht aus leichten Materialien wie Carbon und Alu. Denn das zusätzliche Gewicht der Batterien muss ausgeglichen werden. Daimler hat einen Batterie- oder Brennstoffzellenantrieb in viele Modelle eingebaut, vom Smart über Transporter bis zu leichten Lkw und Bussen. Auch die neue S-Klasse wird als Plug-in-Modell angeboten. Opel hat den Ampera, Audi plant den e-tron, und selbst Porsche will den Panamera in einer Hybrid-Variante über die Straßen jagen.

Der Wille, die Autos mit Elektroantrieben auszustatten, ist vorhanden. Allein die Umsetzung hakt. Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält trotz anhaltend schwacher Verkaufszahlen am Ziel von einer Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen bis zum Jahr 2020 fest. Deutschland habe „gute Chancen“, dieses Ziel einzuhalten, sagte Merkel. Um dem Elektroauto zum Durchbruch zu verhelfen, sei eine „umfassende Zusammenarbeit“ von Staaten und Wirtschaftszweigen nötig. Vor drei Jahren hatten Regierung und Autobranche die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) gegründet. Ziel ist es, Deutschland zum Leitmarkt und die heimische Industrie zum Leitanbieter für Elektroautos zu machen. Die Industrie hat Investitionen von 17 Milliarden Euro dafür in Aussicht gestellt. Die Regierung fördert die Forschung für 2012 und 2013 mit einer Milliarde Euro.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) betonte, die Einführung des Elektroautos müsse zusammen mit der Planung für andere Verkehrsmittel vorangetrieben werden. Die Infrastruktur für Elektroautos müsse sich „intelligent in die Stadt- und Verkehrsplanung einpassen“. Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) erklärte, Elektromobilität sei notwendig, damit Autofahren künftig „kein Luxusgut“ werde.

Bis zu diesem Dienstag beraten Vertreter von Politik, Autoindustrie, Wissenschaft und Gesellschaft in Berlin über die Zukunft des Elektroautos. Derzeit rollen auf Deutschlands Straßen 7100 Elektroautos und 65.000 Hybrid-Fahrzeuge mit Elektro- und Kraftstoffmotor. Im vergangenen Jahr wurden laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) rund 3000 Elektroautos neu zugelassen. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen rechnet für dieses Jahr mit 3700 Neuzulassungen von Elektroautos.

Henning Kagermann, Vorsitzender der Nationalen Plattform Elektromobilität, hält das Ziel der Bundesregierung von einer Million Elektroautos nur unter günstigen Rahmenbedingungen für erreichbar: Die wichtigsten Faktoren seien „der Ölpreis, der Strompreis, und wie billig die Batterien dann sein werden“, sagte Kagermann im ZDF. Der Verkauf von Elektroautos werde voraussichtlich ab 2015 „hochlaufen“. Über Kaufprämien für Elektroautos solle erst diskutiert werden, wenn der Markt dann nicht anziehe. Bundeskanzlerin Merkel blieb am Montag dabei, dass es in Deutschland keine Kaufprämie geben werde.

Die Deutsche Autoindustrie äußerte sich zuversichtlich. Noch sei der Markt „auf niedrigem Niveau“, verzeichne aber „hohe Zuwachsraten“, erklärte der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann. Jedoch sollten Elektroautos als Firmenwagen steuerlich besser gestellt werden. Denkbar wären auch bessere Abschreibungsmöglichkeiten für Elektroautos.

In Deutschland sind Elektroautos von der Kraftfahrzeugsteuer befreit. Der Zeitraum für diese Steuerbefreiung wurde im Herbst von fünf auf zehn Jahre ausgedehnt. Danach gilt eine Steuerermäßigung von 50 Prozent. Die Forschung im Bereich Elektromobilität wird vom Staat mit 1,5 Milliarden Euro gefördert. Daneben bezuschusst der Bund Wasserstoff als Antriebsform.

Ramsauer will für Elektroautofahrer neben finanziellen auch andere Anreize schaffen wie beispielsweise Sonderparkplätze oder die Möglichkeit, mit Elektroautos Busspuren zu befahren. Denkbar seien auch freie Zufahrtsmöglichkeiten für E-Lieferwagen in Innenstädte.

Probleme sehen Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche und EU-Verkehrskommissar Siim Kallas in den fehlenden Standards von Ladesteckern. „Es ist wichtig, eine Zerstückelung des europäischen Marktes mit verschiedenen Standards zu vermeiden“, sagte Zetsche. Vor allem in Frankreich gibt es Bedenken gegen den von deutschen Herstellern favorisierten Stecker. Über eine Standardisierung wird schon seit mehreren Jahren gestritten.

Autokäufer schrauben einer Umfrage zufolge bereits jetzt ihre Anforderungen an Elektroautos höher, obwohl diese noch weit vom Durchbruch entfernt sind. Fast die Hälfte der Autofahrer (43,7 Prozent) ist nicht bereit, für ein Elektroauto mehr zu bezahlen als für einen Wagen mit Benzin- oder Dieselantrieb, wie der ADAC mitteilte. Vor zwei Jahren noch wollten nur 24,7 Prozent keinen Aufpreis zahlen. Auch die langen Ladezeiten für die Batterien der E-Autos werden immer kritischer gesehen. Daimler-Chef Dieter Zetsche sagte mit Blick auf strengere CO2-Grenzwerte, Elektroautos müssten für die Gesamtbilanz der Hersteller-Flotten stärker angerechnet werden. Dies sei ein Anreiz für die Autobauer, die E-Mobilität noch stärker voranzutreiben. Konkret geht es um sogenannte „Supercredits“. Umfang und Dauer dieser Boni für Elektroautos sind aber umstritten.

Der Naturschutzbund (Nabu) forderte die Bundesregierung auf, sich in Brüssel für strengere CO2-Grenzwerte einzusetzen. Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller sagte: „Wer künftig einen nennenswerten Anteil an Elektroautos auf unseren Straßen sehen möchte, sollte nicht über Kaufprämien nachdenken, sondern sich auf europäischer Ebene für ambitionierte Grenzwerte bei Neuwagen einsetzen.“ Wenn man niedrigere Höchstmengen für Emissionen festlege, sei das „ein effektives und zugleich kostenneutrales Instrument zur Förderung von Elektromobilität“. Denn so brauche man keine Steuermittel. Der Nabu glaubt, dass große und schwere Fahrzeuge die niedrigeren Grenzwerte mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren allein nicht mehr erreichen könnten.