Peer Steinbrück weist Vorstoß von Sigmar Gabriel zurück

Berlin. SPD-Chef Sigmar Gabriel ist mit seinem Vorschlag, bundesweit Tempo 120 auf Autobahnen einzuführen, von seiner Partei ausgebremst worden. Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, Bundestags-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und mehrere Landesverbände stellten sich eindeutig gegen den Plan. Unter dem Druck der Kritik bemühte sich Gabriel am Donnerstag um Schadensbegrenzung. "Bei der Bundestagswahl geht es um andere Fragen als das Tempolimit. Das gilt sowieso schon auf den meisten Strecken", sagte er der "Bild"-Zeitung.

Ungewöhnlich deutlich grenzte sich SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück von Gabriel ab. Er wies dessen Forderung als "nicht sinnvoll" zurück und sprach davon, er stehe hier "im Widerspruch" zum SPD-Vorsitzenden. Die Debatte über eine Geschwindigkeitsbegrenzung laufe nun schon seit rund 20 Jahren. "Ich sehe keine Veranlassung, sie zu aktivieren", so Steinbrück.

Gabriel hatte seinen Vorschlag mit der Sicherheit auf Autobahnen begründet. "Tempo 120 auf der Autobahn halte ich für sinnvoll, weil alle Unfallstatistiken zeigen, dass damit die Zahl der schweren Unfälle und der Todesfälle sinkt", sagte der SPD-Vorsitzende der "Rheinischen Post". "Der Rest der Welt macht es ja längst so."

Die SPD hatte sich auf ihrem Hamburger Parteitag 2007 für ein Tempolimit von 130 km/h ausgesprochen - aber im neuen Wahlprogramm taucht diese Forderung nicht auf. Die Grünen, die mit der Forderung nach einem Tempolimit in den Wahlkampf ziehen wollen, begrüßten Gabriels Anregung. "Wenn der SPD-Parteichef für ein generelles Tempolimit wirbt, ist schon mal ein Streitpunkt bei rot-grünen Koalitionsverhandlungen ausgeräumt", sagte der Grünen-Verkehrsexperte Anton Hofreiter der "Welt". Auch mehrere Umweltverbände sprachen von einem richtigen Signal.

In der SPD-Bundestagsfraktion, aber auch in den Ländern wurde dagegen Unverständnis über Gabriel geäußert. "Tempolimits sind kein Selbstzweck. Auf Autobahnen sehe ich im Hinblick auf den Stand und die Qualität des Autobahnausbaus keine Notwendigkeit für ein generelles Tempolimit", sagte Bundestags-Fraktionschef Steinmeier der Zeitung "Neue Westfälische". Auch die SPD-geführte Landesregierung von Nordrhein-Westfalen wies Gabriels Vorschlag zurück. Herausforderung für die Verkehrspolitik seien vielmehr sanierungsbedürftige Brücken und Straßen. "Über Tempolimits denke ich nach, wenn wir den Investitionsstau hinter uns gelassen haben", sagte NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD). Auch Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) reagierte zurückhaltend. Seine Sorge gelte der Finanzierung einer besseren Verkehrsinfrastruktur. Derzeit gebe es bereits auf mehr als einem Drittel aller Autobahnkilometer im Norden faktisch ein Tempolimit, sagte er. Im Koalitionsvertrag der Kieler Dänen-Ampel war ein Tempolimit von 130 km/h als Ziel genannt worden.

Auch Union und FDP bekräftigten ihr Nein zu einem Tempolimit. Regierungssprecher Steffen Seibert versicherte, die Regierung plane keine Geschwindigkeitsbegrenzung. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe erklärte: "Rot-Grün ist weiter auf dem Weg in die Bundes-Verbots-Republik Deutschland. Bei Wirtschaft und Arbeit auf die Bremse, beim Abkassieren und Bevormunden auf das Gaspedal." FDP-Politiker nannten ein Tempolimit "Gängelei und Schikane".

Die Autofahrerlobby versuchte Gabriels Argumente zu widerlegen. Im Jahr 2011 seien 31 Prozent des Verkehrs über Autobahnen gerollt, aber nur sechs Prozent der Unfälle mit Verletzten seien dort geschehen, sagte der ADAC-Vizepräsident Ulrich Klaus Becker. Die Zahl der Getöteten auf Autobahnen, bezogen auf die gefahrenen Kilometer, liege niedriger als in Österreich, wo ein Limit von 130 km/h gelte.

Der Unfallforscher Siegfried Brockmann widersprach. Autobahnen seien zwangsläufig die sichersten Straßen, weil es keine Radfahrer, Fußgänger und Kreuzungen gebe. "Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen." In umliegenden Ländern seien Verkehrsstandards, Infrastruktur und Mentalitäten oft andere, weshalb Zahlenvergleiche immer schwierig seien. "Entscheidend ist doch, dass wir eine Reihe von schweren Unfällen sehen, die auf hohe Geschwindigkeiten zurückzuführen sind." Daher sei die Debatte sehr sinnvoll.