Vertreter der Moslems beklagen, dass Innenminister Friedrich Integration mit Sicherheitsdebatte vermische

Berlin. Lang schon war der Zauber der ersten Begegnung vom September 2006 im Schloss Charlottenburg verflogen. All die großen Pläne der Islamkonferenz für ein neues gesellschaftspolitisches Miteinander von Muslimen und Nichtmuslimen in Deutschland schrumpften über die Jahre auf nicht viel mehr als eine Sicherheitspartnerschaft zusammen. So jedenfalls wurde die Veranstaltung zuletzt von vielen der verbliebenen Beteiligten wahrgenommen.

„Innenminister Hans-Peter Friedrich setzt stark auf den Sicherheitsaspekt. Wir haben immer davor gewarnt, dass man die Integration nicht mit dem Sicherheitsaspekt vermischen sollte“, sagte etwa Kenan Kolat, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde, vor Beginn der gestrigen Konferenz im Berliner Humboldt-Carré. Er verstehe einfach nicht, warum sich muslimische Verbände noch einmal ausdrücklich vom Terror distanzieren sollten. „Sie bekennen sich zur Demokratie“, sagte er. Damit sei doch klar, dass sie jeden Terror verurteilten. Er fand allerdings auch lobende Worte. So habe die Islamkonferenz sehr zu einem differenzierten Bild des Islam in der Öffentlichkeit beigetragen. „Wir hatten die Möglichkeit, unter den muslimischen Verbänden einen Dialog herzustellen. Außerdem gab es Fortbildungen für die Mitarbeiter der Verwaltungen.“

Bekir Alboga von der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) forderte, dass die Auseinandersetzung mit dem Islam aus dem Innenministerium ausgelagert werden müsse. „Wir möchten von der Diskussion der Sicherheit zu einer Partnerschaft kommen“, sagte Alboga. Auch die Junge Islam Konferenz plädierte für eine Entflechtung von Sicherheits- und Integrationspolitik und eine Rückbesinnung der DIK auf eines ihrer Hauptziele: auf religionsrechtliche Fragen mit dem Ziel der Gleichstellung islamischer Religionsgemeinschaften.

Kritik an Friedrich kam aber auch aus der Politik. Friedrich habe zu verantworten, dass das Thema Extremismus „alles andere überlagert“, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, warf dem Innenminister vor, die Islamkonferenz in eine Sackgasse geführt zu haben. „Wir wollen den Dialog mit den Muslimen auf eine neue Grundlage stellen“, sagte er. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast verlangte einen Neustart der Konferenz. Und die Migrationsexpertin der Links-Fraktion, Sevim Dagdelen, bezeichnete die Konferenz gar als schlicht „überflüssig“. Integration sei eine soziale, keine religiöse Frage. Nach Ansicht des integrationspolitischen Sprechers der FDP-Fraktion, Serkan Tören, ist Integration eine hochpolitische Frage. Deshalb schlug er vor, die Konferenz zukünftig bei einem neu geschaffenen Integrationsministerium anzusiedeln.

Im Mittelpunkt des gestrigen Treffens stand das Thema „Prävention von Extremismus und gesellschaftlicher Polarisierung“. Diskutiert wurde vor allem darüber, wie dem Extremismus bei Jugendlichen vorgebeugt werden könne. Dazu stellte eine Arbeitsgruppe zur „Präventionsarbeit mit Jugendlichen“ ihre Ergebnisse vor. Anschließend verteidigte sich Innenminister Friedrich gegen seine Kritiker. Terrorismus und innere Sicherheit seien nie Thema der eigentlichen Islamkonferenz gewesen, sondern im Rahmen der Initiative Sicherheitspartnerschaft diskutiert worden, sagte er. Zudem habe die Initiative die Schwerpunkte 2010 einvernehmlich beschlossen, er habe nichts daran geändert. Der Minister kündigte Projekte und Initiativen zur Vorbeugung vor Extremismus an. Als Beispiele nannte er den Kampf gegen extremistische Propaganda im Internet, die Aus- und Weiterbildung von Jugendleitern und Lehrkräften sowie Initiativen in Schulen und der Jugendarbeit. Ziel sei es, eine gesellschaftliche Polarisierung zu verhindern.

Der Weg dorthin war jedoch auch auf dieser Konferenz umstritten. Wichtiger vielleicht als Polizei und Staatsschutz sei, dass muslimische Jugendliche sich angenommen fühlten, sagte der Psychologe und Vertreter der Muslime, Ahmad Mansour. „Wir müssen aus der Wir-ihr-Debatte herauskommen“, sagte er. Mansour hatte als Zeichen gegen Antisemitismus seinen „persönlichen Freund“, den Berliner Rabbiner und Antisemitismusbeauftragten Daniel Alter, mitgebracht. Alter war Ende August auf offener Straße brutal attackiert worden.

Für die neuen Projekte hat die Islamkonferenz Eckpunkte erarbeitet, die nun von einem Förderkreis in die Praxis umgesetzt werden sollen. Beteiligt sind unter anderem das Familienministerium und die Robert-Bosch-Stiftung. Als künftige Themen nannte Friedrich Fragen der freien Wohlfahrtspflege, der Lebenshilfe und Lebensberatung. Er will aber auch den Charakter der Konferenz verändern. Sie sollte sich stärker „regionalisieren“ schlug er vor.