Für den NSU-Prozess in der bayrischen Landeshauptstadt wurde nur 50 Presseplätze verlost. Viele überregionale Medien gehen leer aus. Die prüfen jetzt Klagen gegen das Vergabeverfahren.

München. Das Oberlandesgericht München kämpft anhaltend mit Platzproblemen. Selbst der Raum, in dem das Ergebnis der Platzlotterie für den NSU-Prozess nun verkündet wurde, war hoffnungslos zu klein. Eine Woche vor Prozessbeginn verloste das Gericht die reservierten 50 Presseplätze. Mit dem Losverfahren für die Journalistenplätze sollte sichergestellt werden, dass auch vier türkische und sechs ausländische Medien einen Platz im Saal A 101 im Münchner Justizzentrum bekommen.

Das wurde fast erreicht. Wenn vom 6. Mai gegen Beate Zschäpe als NSU-Mitglied und sechs Mitangeklagte verhandelt wird, sind aus der Türkei die Zeitungen „Sabah“, „Hürriyet“ und „Evrensel“ dabei. Acht der zehn Mordopfer stammen aus der Türkei. Nach der ursprünglichen Entscheidung des Gerichts, bei der die Sitzplätze streng nach Eingang der Anmeldungen vergeben wurden, hatten türkische Medien keine Sitzplätze bekommen. Gegen diese Entscheidung hatte „Sabah“ geklagt. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschied schließlich, dass ausländische Medien mit besonderem Bezug zu den Opfern der NSU-Taten eine angemessene Zahl von Sitzplätzen erhalten müssen.

Dass aber auch das Büro von „al-Dschasira“ aus Istanbul zugelassen ist, verwunderte die türkischen Journalisten. Sie kennen keinen türkischsprachigen Dienst des Senders aus Katar. Und: Wichtige deutsche Medien wie die „Süddeutsche Zeitung“, die „FAZ“ und Medien der „Welt“-Gruppe sind nicht akkreditiert. Aus der Gruppe der deutschen Printmedien wurden neben der „Bild“, unter anderem die „Allgäuer Zeitung“, die „Sächsische Zeitung“ oder die „Oberhessische Presse Marburg“ zugelassen. Losglück bei den wöchentlich erscheinenden Titeln hatten „Focus“, „Stuttgarter Nachrichten – Sonntag aktuell“, das „Süddeutsche Magazin“ und der „Spiegel“. Dass außerdem die Frauenzeitschrift „Brigitte“ oder „Hallo-muenchen.de“ ausgewählt wurden, ließ auch die Gerichtsvertreter schmunzeln. „Das ist ein Witz“, sagte Ralf Müller, Redakteur der „Nürnberger Zeitung“, über das Ergebnis der Ziehungen. Seine Zeitung hatte nach dem ersten Akkreditierungsverfahren einen Platz sicher, beim zweiten Mal ist sie leer ausgegangen. Er geht davon aus, dass nun einige nicht berücksichtigte Medien klagen werden.

„Brigitte“ und Anzeigenblatt „Hallo München“ sind dabei

Ähnlich sieht es Jan-Eric Peters, Chefredakteur der „Welt“-Titel: „Der wichtigste Prozess in diesem Jahr in Deutschland, und die drei großen überregionalen Qualitätszeitungen des Landes sind ausgeschlossen, anders als etwa das Anzeigenblatt ,Hallo München‘ – das ist doch absurd. Wir erwägen eine juristische Klärung.“ Vural Ünlü, Vorsitzender der türkischen Gemeinde in Bayern, der auch für den türkischen Sender TRT arbeitet und nicht zum Zuge kam, sagte, dass das Gericht wieder „furchtbar geschlampert“ habe. Wichtiger als die Kritik am Verfahren sei aber, dass der NSU-Prozess nun endlich beginnen könne. Eine erneute juristische Überprüfung des Losverfahrens lehnte er ab. „Beim dritten Mal wird es auch nicht besser.“

Zum Beleg, wie akribisch gelost worden sei, präsentierte das Gericht Dutzende durchsichtige Plastikkisten, beschriftet mit den einzelnen Mediengruppen. Die Kisten selbst aber waren leer. Für das Losverfahren hatten sich 927 Medien- und Pressevertreter angemeldet. Nach Sichtung der Kriterien blieben 324 Lose übrig, 50 wurden gezogen. Zehn erhielten die ausländischen Medien. Fünf Plätze sind Nachrichtenagenturen vorbehalten und 35 Plätze gab es für deutsche Medien. In dieser inländischen Gruppe wiederum waren jeweils zwei Plätze für das öffentlich-rechtliche Fernsehen, zwei Plätze für Privatsender, und jeweils drei Plätze für öffentlich-rechtliche und private Hörfunksender vorgesehen. Für tagesaktuelle Medien gab es acht Sitze, für wöchentlich erscheinende Printmedien insgesamt vier Plätze.

Frage der Presseberichterstattung ist nicht der Kern des Verfahrens

Oberlandesgerichtspräsident Karl Huber zeigte sich dennoch überzeugt, dass eine ausgewogene und flächendeckende Berichterstattung möglich sein werde, auch für nicht akkreditierte Medien. Eine Nachrück- und sogenannte Pool-Lösung ermöglicht, dass Medien im Einvernehmen Plätze tauschen können. Mit dem Losverfahren hatte das Oberlandesgericht gehofft, eine erste juristische Schlappe in dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht auszubügeln und die vehemente öffentliche Kritik an der Justiz zu besänftigen.

Huber betonte mit Blick auf kritische Kommentare im Vorfeld, die Frage der Presseberichterstattung sei nicht Kern des Verfahrens. Es gehe um eine rechtsstaatlich einwandfreie und revisionssichere Aufarbeitung der Verbrechen, die der NSU angelastet werden. Huber kritisierte, die Angriffe, denen sich das Gericht ausgesetzt sah, seien „in der Geschichte der Bundesrepublik ohne Beispiel“. Dabei habe man sich auch im ersten Durchgang, als die Plätze nach dem sogenannten Windhundverfahren nach dem Eingang der Anträge vergeben wurden, absolut korrekt verhalten.