Hamburger Opferanwalt beantragt Videoübertragung

München/Hamburg. Der politische Druck auf das Münchner Oberlandesgericht wegen der Zulassung zum NSU-Prozess wächst: Dem großen Interesse an dem Verfahren müsse nun auch „der entsprechende Raum“ gegeben werden, heißt es in einem Appell von 55 Parlamentariern, den Sevim Dagdelen (Linke), Memet Kilic (Grüne) und die Hamburger Bundestagsabgeordnete Aydan Özoguz (SPD) angestoßen hatten. „Die Situation ist sehr verfahren und bedarf dringend einer Lösung“, erklärten die Initiatoren in ihrem Schreiben. Die Parlamentarier rügen, dass gerade in diesem Strafverfahren nicht das Interesse der Öffentlichkeit und der Medien dem zur Verfügung gestellten Raum angepasst werden dürfe. Unterzeichnet haben Parlamentarier von SPD, Linken und Grünen.

Özoguz sagte dem Abendblatt: „Nach einer Mordserie mit neun ausländischstämmigen Opfern war es vorhersehbar, dass sich das Ausland für diesen Prozess interessieren würde. Wenn beim Kachelmann-Prozess extra Plätze für Schweizer Medien reserviert werden konnten, erscheint es angesichts der Mordserie durch Neonazis vollkommen unverständlich, warum hier nicht von Anfang an das Gericht ausländischen Medien Plätze zugewiesen hat. Hier erwarte ich einen Vorschlag des Gerichts in München.“

Eine mögliche Lösung stellte der Hamburger Strafverteidiger Thomas Bliwier vor: Er verlangt, dass der Zschäpe-Prozess in einen zweiten Gerichtssaal übertragen wird. Den entsprechenden Antrag hat Bliwier, der die Hinterbliebenen des Kasseler NSU-Opfers Halit Yozgat vertritt, beim Münchner Oberlandesgericht eingereicht. Auf diese Weise könnten mehr akkreditierte Journalisten die Verhandlung verfolgen. Bislang gibt es nur 50 Sitzplätze für Medienvertreter.

Der Präsident des Bundesgerichtshofs (BGH), Klaus Tolksdorf, bezweifelt, dass eine Videoübertragung des Verfahrens zusätzlich in einen anderen Gerichtsaal rechtlich zulässig ist. Er könne mit Blick auf einschlägige Rechtskommentare „nicht unterschreiben“, dass solch eine Übertragung unbedenklich wäre, sagte Tolksdorf. Für eine Videoübertragung zugunsten internationaler Medienvertreter hatten sich drei ehemalige Verfassungshüter ausgesprochen. Das Oberlandesgericht München lehnt sie bislang ab.

Die Journalistenverbände DJV und dju mahnten einen Neustart des Akkreditierungsverfahrens an. Das Gericht hatte in einer Stellungnahme an das Bundesverfassungsgericht eingeräumt, einige Medien später als andere über den Start der Akkreditierung informiert zu haben. Außerdem soll es zu E-Mail-Pannen gekommen sein. Zudem waren demnach einige Journalisten über den ungefähren Zeitpunkt des Akkreditierungsbeginns vorab informiert. Der DJV erklärte, damit seien die 50 Presseplätze willkürlich vergeben worden.

Unterdessen hat Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) seine Forderung nach Zugang für türkische Medien bekräftigt. Es müsse der türkischen Presse ermöglicht werden, diesem wichtigen Verfahren zu folgen, sagte Rösler laut Nachrichtenagentur Anadolu in Ankara. Rösler sprach unter anderem mit dem türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül.