Die Tücken des Truppenabzugs: Bundeswehr-General Hans-Erich Antoni über die Rückführung der deutschen Soldaten aus Afghanistan.

Hamburg. Seit zehn Jahren ist die Bundeswehr mit Tausenden Soldaten im Einsatz. Gewaltige Mengen an Material waren und sind vonnöten, um diesen Einsatz in einem harten und gefährlichen Umfeld zu gewährleisten. Seit dem 1. Januar verfügt die Bundeswehr dazu über ein neu aufgestelltes Logistikkommando. Diese Dienststelle ist Teil der Streitkräftebasis und wird im kommenden Jahr den Abzug der meisten deutschen Soldaten vom Hindukusch logistisch bewältigen müssen. Gemeinhin gilt dies als Mammut-Aufgabe, doch der Kommandeur des neuen Logistikkommandos, Generalmajor Hans-Erich Antoni, sieht das überraschend gelassen. "Ich sehe das deswegen gelassen, weil ich in Afghanistan war und weil ich weiß, wie so was funktioniert", sagt Antoni bei einem Besuch des Abendblatts in Hamburg. Und fügt lächelnd hinzu: "oder auch nicht funktioniert". Am meisten habe die Bundeswehr in Afghanistan mit den politischen Rahmenbedingungen zu kämpfen, sagt der General, der 1954 im niedersächsischen Uslar geboren wurde.

"Afghanistan ist ja nur von Landmächten umgeben - Iran, Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan, China, Pakistan. Die wesentlichen Wege hinaus führen über Tadschikistan, Usbekistan und Pakistan. Ein weiterer Weg hinaus und hinein ist der Luftweg."

Dies seien zugleich die begrenzenden Faktoren, und die Frage sei: "Was lassen diese Nachbarstaaten zu?"

Dazu seien Transitabkommen mit den genannten Staaten notwendig; Flugzeuge bräuchten überdies Genehmigungen, um über fremdes Staatsgebiet fliegen zu dürfen. "Hier liegen die Hemmnisse. Im Klartext: Sie bekommen keinen Container aus Afghanistan heraus nach Usbekistan, wenn die Transiterlaubnis aus Kasachstan nicht vorliegt." Die Bundeswehr habe die Erfahrung gemacht, dass die Genehmigungen "nicht immer zeitgerecht vorliegen" und damit die Transportkette zusammenbrechen würde. "Erst wenn die ganze Kette steht, kann der Transport beginnen." Der General stellt sich darauf ein, dass bis Ende 2014 "alles zurückverlegt ist, was wir zurückverlegen wollen". Das große Fragezeichen sei, wie sich die Bundesrepublik Deutschland an der Folgemission "Resolute Support" beteiligen werde - denn das ist politisch noch nicht ausgemacht. "Erst wenn wir das wissen, wissen wir auch, was dort bleiben kann und was nicht zurückgebracht werden muss."

Die Situation in Afghanistan sei nicht so schlimm, wie man sich oft vorstellt, sagt Antoni. "Die Menschen dort führen ein unglaublich hartes Leben; sie stellen sich dem sehr engagiert und sind äußerst leidensfähig - aber wollen ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen. Die überwältigende Mehrheit ist für ein Leben, wie sie es jetzt führen können - sie wollen nicht wieder zurück zu einer Taliban-Herrschaft."

Natürlich gebe es Regionen in Afghanistan, die unsicherer seien als andere, während der Norden, wo Deutschland die Führungsnation ist, vergleichsweise sicher sei. Doch dies liege nicht nur an einer besonderen Taktik der Bundeswehr, sondern auch an der Bevölkerungsverteilung. Zwar gebe es auch im Norden, wie in Kundus, Anteile von Paschtunen - die rund 40 Prozent der Afghanen stellen -, aber ansonsten usbekische und tadschikische Bevölkerung. In paschtunischen Gebieten sei die Anschlagsgefahr größer - und die Taliban rekrutierten ihre Kämpfer überwiegend unter der paschtunischen Bevölkerung. "Dort liegt der Schlüssel", sagt Diplomingenieur Antoni. "Und man wird kaum ein dauerhaftes Miteinander - von Frieden nicht zu reden - erreichen, wenn man keine politische Lösung findet." Dazu müsse man eben mit den Leuten reden, die man vorfindet.

Angesichts der Neuausrichtung der Bundeswehr sagt der General: "Wir können noch alles - aber nicht mehr in der Tiefe - wir können also nicht mehr alles für jeden beliebigen Einsatz leisten." Nun wolle Deutschland allerdings ohnehin nicht Weltpolizist sein.

Der Karriereoffizier hat eine Frau und zwei Töchter; zehnmal ist er umgezogen im Laufe der Jahre. Doch 1997 ist er sesshaft geworden - "das muss man irgendwann tun, wenn man seine Kinder nicht vollkommen entwurzeln will". Irgendwann hätten die Kinder nämlich angefangen zu fragen: "Wo kommen wir eigentlich her?" Aber der zweite Aspekt einer Offizierslaufbahn seien inzwischen die Frauen: "Unsere Arbeitswelt hat sich ja verändert. Während die Frauen früher meist zu Hause blieben, ist das heute ganz anders. Frauen wollen ebenfalls Karrieren machen - übrigens auch bei der Bundeswehr. Und wenn die Bundeswehr attraktiv sein will, dann muss sie beispielsweise mehrere Verwendungen in derselben Region bieten, damit die Menschen dort längere Zeit wohnen bleiben können."

Die neue Rollenverteilung bringe mit sich, dass weibliche Soldaten Schwierigkeiten hätten, Partner zu finden, die die Umzieherei mitmachen. "Und da tun sich manche Männer viel schwerer, als wir uns das eigentlich gedacht haben. Das ist ein Aspekt bei der Veränderung der Bundeswehr, der oftmals unterschätzt wird." Der General selber wohnt zwischen Pinneberg und Elmshorn. Und pendelt, der Familie zu Liebe, zur Arbeit in Erfurt.