In Hamburg stellte sich Peer Steinbrück den Fragen von „Spiegel“-Chefredakteur Georg Mascolo. Dabei zeigte er sich ungewohnt dünnhäutig und forderte ein neues Verhältnis zwischen Politik und Medien.

Selten waren Journalisten so kreativ, wenn es um die Namensfindung für einen Spitzenpolitiker geht, wie im Fall von Peer Steinbrück. „Problem-Peer“ und „Pleiten-Peer“, titelte der Boulevard, als „Dilettant“ und „Polterer“ beschrieb ihn der „Spiegel“. Der Kanzlerkandidat der SPD hat in den vergangenen Monaten die Schlagzeilen bestimmt. Und das nicht immer positiv. Ob gut bezahlte Vorträge, Pinot Grigio, Bahncard, Kanzlergehalt oder Peerblog – Inhalte zu setzen, fiel Peer Steinbrück bislang in diesem Wahlkampf schwer. Am Montagabend stellte er sich im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Montag an der Spitze“ von "Spiegel" und Körber-Stiftung den Fragen von "Spiegel"-Chefredakteur Georg Mascolo.

Und Steinbrück scheint auf diese Gelegenheit nur gewartet zu haben. Er ist wütend. Jeder im Saal merkt, hier hat sich etwas angestaut in den vergangenen Monaten, das muss raus. Steinbrück wirkt getroffen und setzt nun zum Gegenangriff an. Auf Mascolos Frage, wie es denn im Wahlkampf laufe, sagt Steinbrück trocken: „Unter Begleitung des ‚Spiegel’ läuft es nicht so gut.“ Überhaupt sei es unverschämt, dass bereits in der Einladung zu der Veranstaltung von einem „verpatzten Start“ die Rede gewesen sei. Steinbrück wirkt dünnhäutig. „Das ist so, als würden Ihre Frau und Sie sich mit meiner Frau und mir treffen wollen, mit dem Hintergedanken, jetzt schauen wir uns mal die missratenen Kinder der Steinbrücks an.“

Mascolo schluckt kurz, versucht zu lächeln. Was denn schief laufe im Wahlkampf? „Einiges machen Sie so, dass es schief geht.“, kontert Steinbrück. Ob man denn die einzelnen Fehler einmal durchgehen wolle. „Nö“, sagt Steinbrück trotzig. Stille im Saal. „Ich muss den Kakao nicht auch noch trinken, durch den Sie mich ziehen.“

Peer Steinbrück ist nicht nur misstrauisch geworden, er wirkt kratzbürstig. Es ärgere ihn, dass die Medien sich so sehr auf seine Person eingeschossen haben, „jeden Stein in seinem Umfeld dreimal umdrehen“, anstatt sich mit den Inhalten seiner Partei zu beschäftigen. Die Erfahrungen der letzten Monate sind neu für ihn. Als Repräsentant der SPD steht er auf einmal unter besonderer Beobachtung und wird daran gemessen, inwieweit er diese Partei vertreten kann, ob Kandidat und Partei wirklich zusammenpassen.

Es ist kein Geheimnis, dass auch Peer Steinbrück sein rhetorisches Talent gut zu nutzen weiß und sich auch selbst gerne reden hört. Er spricht, wie es ihm gefällt, gerade heraus. Bei Journalisten war Steinbrück daher immer ein beliebter Gesprächspartner. „Mister Klare Kante“ nannten sie ihn. Eine Rolle, die Steinbrück gefiel. Er will, wie er sagt, kein politischer Phlegmatiker sein, kein Langweiler, kein rundgeschliffener Kieselstein. „Mein Lieblingssatz ist: Eine gute Grundlage ist die beste Voraussetzung für eine solide Basis. Mit solch einem Satz, ecke ich niemals an.“ Doch Peer Steinbrück will anecken, will gehört werden.

Jetzt wird er gehört. Sehr genau. Zu genau? Die letzten Monate haben Steinbrücks Verhältnis zu den Medien verändert. Die Begegnung mit Georg Mascolo ist an diesem Abend ein gutes Beispiel dafür. Nachdem Steinbrück es ablehnt, über seinen „verpatzten Start“ zu sprechen, entgegnet Mascolo: „Aber die Fragen stelle immer noch ich.“ „Ja, aber die Antworten kann ich mir aussuchen.“ Und spätestens als ihn der Chefredakteur wenige Sekunden später auf die Diskussion um Stefan Raab als Moderator des Kanzlerduells anspricht und Steinbrück zynisch entgegnet, man könne sich seine Moderatoren nun mal nicht aussuchen, „siehe heute Abend“, fragt sich auch der Letzte im Saal, wohin diese Diskussion noch führen soll. Selten hat man den Kanzlerkandidaten der SPD so angriffslustig erlebt.

Glaubt man Peer Steinbrück, dann geht es in dieser Diskussion nicht um ihn. Nicht ausschließlich. Der Kanzlerkandidat sorgt sich vielmehr, um den politischen Nachwuchs, „die demokratische Substanz einer Gesellschaft“, wie er mehrmals an diesem Abend sagt. Journalisten seien heute verstärkt auf der Suche nach „süffigen Personalgeschichten“, um Aufmerksamkeit in Form von Klicks, Auflage und Quote zu erzeugen, mit dem ständigen Drang zu Skandalisierung, sagt Steinbrück. „Welcher junge Mann, welche junge Frau will später noch ein politisches Amt übernehmen? Warum sollen sie sich dem aussetzen?“, fragt Steinbrück energisch. Er sitzt in seinem roten Stuhl im Körber-Forum und beugt sich nach vorne. Nicht nur Politiker müssten selbstkritisch sein, auch die Medien sollten sich selbstkritischer hinterfragen. Steinbrück plädiert dafür, sich nach der Bundestagswahl, „wenn sich die Aufregung gelegt hat“, intensiv über das Verhältnis von Politik und Medien zu unterhalten.

„Wer die Hitze fürchtet, darf nicht in die Küche gehen", hat Peer Steinbrück einmal gesagt. Steinbrück kocht leidenschaftlich gerne, kalte Platte ist seine Sache nicht. Aber er hat unterschätzt, wie heiß es in der Küche manchmal werden kann. Vielleicht wird es Zeit, dass jemand das Fenster aufmacht.