Ein deutscher Soldat wurde bei einem Gefecht mit den Taliban verletzt. Die Nato plant Sondergipfel und wartet auf Truppenzusage der USA.

Kundus/Berlin. Erstmals seit mehr als sieben Monaten ist in Afghanistan wieder ein deutscher Soldat verwundet worden. Beim Sturm eines Taliban-Verstecks am Rande der nordafghanischen Stadt Kundus wurden nach Polizeiangaben außerdem vier Aufständische und zwei Polizisten einer Sondereinheit getötet. Der Sprecher der Polizei in der Provinz Kundus, Sayed Sarwar Hussaini, sagte, drei Aufständische seien gefangen genommen worden: "Ein Soldat der deutschen Spezialkräfte wurde verwundet." In Afghanistan operieren Soldaten des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr. Der Soldat ist nach Angaben der Bundeswehr außer Lebensgefahr. Er werde im Einsatzlazarett in Masar-i Scharif behandelt.

Polizeisprecher Hussaini sagte, unter den getöteten Taliban seien zwei kürzlich aus Pakistan eingetroffene Anführer und ein örtlicher Kommandeur. Die Gefechte hätten vier Stunden gedauert. Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid teilte mit, vier Zivilisten seien bei dem Einsatz getötet worden. Angaben der Taliban sind unzuverlässig. Bei einer weiteren Operation im angrenzenden Distrikt Kala-i-Sal wurden nach Angaben der Internationalen Schutztruppe Isaf bereits am Mittwoch zwei Aufständische mit einem Präzisions-Luftschlag getötet.

Zuletzt waren am 4. Juli vergangenen Jahres bei einem Angriff auf eine Patrouille südlich von Kundus-Stadt zwei deutsche Soldaten verwundet worden. Gefallene hat Deutschland am Hindukusch seit mehr als 20 Monaten nicht mehr zu beklagen. Kundus gehört zum Regionalkommando Nord der Isaf mit Sitz in Masar-i-Scharif. Dort gab am Donnerstag Bundeswehrgeneral Erich Pfeffer das Regionalkommando an General Jörg Vollmer ab. Vollmer führt auch das deutsche Isaf-Kontingent. Der scheidende Kommandeur Pfeffer sagte der Nachrichtenagentur dpa, die Sicherheitslage in der Region habe sich im vergangenen Jahr insgesamt verbessert. "In sechs von neun Provinzen war die Lage zuletzt ausgesprochen ruhig. Hier hat bereits die afghanische Polizei die Führungsrolle. Die Sicherheitsoperationen unter Führung des afghanischen Militärs konzentrieren sich auf drei Provinzen, und auch hier auf wenige Distrikte." Der Isaf-Einsatz läuft Ende 2014 aus.

Knapp zwei Jahre vor dem Ende des Einsatzes hätten afghanische Sicherheitskräfte bereits weitgehend die Verantwortung von der Bundeswehr in Nordafghanistan übernommen, sagte General Pfeffer. "Die Rolle der Isaf beschränkt sich jetzt auf die Beratung und Unterstützung mit beispielsweise Informationen oder durch Sprengfallenräumung. Aber eine Vielzahl von Operationen führen unsere Partner bereits völlig eigenständig durch."

Mehr als 80 Prozent aller Sicherheitskräfte im Norden würden von den Afghanen und nicht durch internationale Truppen gestellt, so Pfeffer. "Die afghanischen Sicherheitskräfte sind im vergangenen Jahr quantitativ nahezu vollständig aufgestellt worden und haben sich qualitativ deutlich verbessert."

Bei einem Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel wurde derweil bekannt, dass die Nato-Staaten nicht so rasch wie geplant über ihre künftige militärische Präsenz in Afghanistan entscheiden können. Das bestätigte Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU). Er forderte, nach dem Abzug der internationalen Kampfsoldaten der Afghanistan-Schutztruppe Isaf bis Ende 2014 müsse die weitere Militärpräsenz "so auskömmlich sein, dass das, was über zehn, zwölf Jahre erreicht worden ist, nachhaltig gesichert wird".

Zuvor hatte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen eingeräumt, dass entgegen seiner ursprünglichen Planung das Operationskonzept für die Isaf-Nachfolgemission noch nicht beim Februar-Treffen der Verteidigungsminister beschlossen werden könne. Die Planungen dauerten an. "Wir haben noch etwas Zeit", sagte er. "Ich erwarte abschließende Entscheidungen über Größe und Umfang der von der Nato geführten Trainingsmission in den kommenden Monaten."

Das Bündnis wartet offenbar auf die USA: Bisher hat Washington noch nicht entschieden, wie viele US-Soldaten künftig in Afghanistan sein sollen. In Nato-Kreisen hieß es, die USA wollten nur einige Tausend und nicht mehrere Zehntausend Soldaten bereitstellen.

"Die vorbereiteten ersten Operationspläne sind gestoppt", sagte de Maizière. "Denn jetzt geht es erst einmal darum, dass man sich politisch über den Auftrag verständigt - auch mit der afghanischen Seite über die Bedingungen der Anwesenheit von Nato-Streitkräften auf afghanischem Boden." Es sei so, dass "aus rein fachlichen Gründen gerade die Streitkräfte auf schnelle Entscheidungen dringen".

Die Nato erwägt einen Afghanistan-Gipfel im Sommer als Meilenstein für die Übergabe der Verantwortung an die einheimischen Sicherheitskräfte. "Noch ist keine Entscheidung getroffen, aber es ist eine Idee, der nachgegangen wird", sagte Generalsekretär Rasmussen der Nachrichtenagentur Reuters. Nato-Diplomaten haben von Überlegungen gesprochen, einen eintägigen Gipfel in Brüssel abzuhalten. Dieser könne zur selben Zeit stattfinden wie der Europa-Besuch von US-Präsident Barack Obama im Juni.