Bund und Länder streiten über Kosten der Empfehlungen des runden Tisches

Berlin. Es gibt Tage, da muss sich Johannes-Wilhelm Rörig wie Sisyphos vorkommen. Tage, an denen der Stein, den der unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Missbrauchs seit gut einem Jahr den Berg hinaufrollt, krachend wieder herunterfällt. Dieser Mittwoch dürfte wieder so ein Tag werden. Zu einer Bilanz treffen sich die ehemaligen Teilnehmer des runden Tisches Missbrauch, um zu sehen, was aus den Empfehlungen geworden ist.

Den Vorsitz haben Familienministerin Kristina Schröder (CDU), Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und die Staatssekretärin des Gesundheitsministeriums, Cornelia Quennet-Thielen. Die Bilanz dürfte verheerend ausfallen.

Im März 2010 hatte die Bundesregierung nach einer Welle der Enthüllungen über Missbrauchsfälle in katholischen und anderen Institutionen einen runden Tisch beschlossen. Im Herbst 2011 legte dieser seinen Abschlussbericht vor. Was darin vorgeschlagen wurde, klang gut: zum Beispiel die Einrichtung eines 100-Millionen-Euro-Hilfsfonds für die Opfer, verbunden mit einer Clearingstelle, die deren Ansprüche schnell prüfen sollte.

Außerdem war im Bundeskabinett beschlossen worden, die Schadenersatzansprüche der Opfer zu verlängern. Ein Gesetzentwurf sah vor, die zivilrechtlichen Verjährungsfristen bei sexuellem Missbrauch von drei auf 30 Jahre zu verlängern. Denn wer als Kind missbraucht wird, verdrängt das traumatische Erlebnis häufig. Ins Bewusstsein gelangt es oft erst wieder, wenn man selbst eine Familie gründet und begreift, welches Unrecht man erlebt hat. Für Ansprüche ist es dann längst zu spät.

Für den Erfolg des Missbrauchs-Beauftragten Rörig bleibt nur ein kleines Zeitfenster. Was bis zum Sommer nicht umgesetzt ist, wird in dieser Legislaturperiode vermutlich nichts mehr werden. Seit 14 Monaten streitet der Bund mit den Ländern über die Umsetzung des vereinbarten Hilfsfonds. 50 Millionen Euro sollten vom Bund kommen, 50 Millionen wollten die Länder übernehmen. Bundesfamilienministerin Schröder forderte noch einmal die Länder auf, sich an der Finanzierung zu beteiligen. Sie sei dafür, dass man das Geld notfalls auch ohne Finanzzusage der Länder zur Verfügung stelle.

Auch ihre Unterstützung hält sich in Grenzen. Gern hätte der Missbrauchsbeauftragte mit Schröder die Kampagne "Kein Raum für Missbrauch" organisiert. Das Ministerium plant nun eine eigene Kampagne. Warum der Gesetzentwurf zur Reform der Verjährungsfristen noch im Rechtsausschuss festhängt, konnte nicht einmal die Justizministerin sagen.

Wird Rörigs Amtszeit als Missbrauchsbeauftragter Ende 2013 nicht verlängert, kehrt er als Unterabteilungsleiter ins Bundesfamilienministerium zurück. Vorher will er sich an alle Parteien wenden. Sein Ziel: Auch die nächste Regierung soll die Verpflichtung in ihren Koalitionsvertrag aufnehmen, sich weiter um die Opfer sexuellen Missbrauchs zu kümmern.