Berlin. Ein gutes Jahr nachdem der runde Tisch gegen sexuellen Kindesmissbrauch seine Arbeit beendet hat, warten viele Betroffene immer noch auf Hilfe. Trotz der Bekundungen von Bund und Ländern wurde der Entschädigungsfonds noch nicht aufgelegt. Ein Gesetz zur Stärkung der Opferrechte liegt seit Monaten im Rechtsausschuss. Und das Ende der Legislaturperiode naht. In der nächsten Woche trifft sich der runde Tisch, um eine Bilanz über seine Empfehlungen zu ziehen.

Eigentlich sollte das Treffen bereits im Dezember stattfinden. Aber die drei verantwortlichen Bundesministerien - Justiz, Forschung und Familie - hatten die Notbremse gezogen und es abgesagt. Weil sie nur wenig hätten vorweisen können, so interpretierten es viele Beteiligte. Offizieller Grund war die Abstimmung zum Beschneidungsgesetz, die an dem Tag im Bundestag stattfand.

Auch der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, wurde von der Absage überrascht. Damit stehe nun endgültig fest, dass die Politik bis zum Jahresende in wesentlichen Bereichen keine Verbesserungen für Missbrauchopfer erreicht habe, erklärte er. Zwar hat der Bund seine Zusage gegeben, mit 50 Millionen Euro die Hälfte der Gesamtsumme in den Entschädigungsfonds für die Opfer einzuzahlen. Anders sieht es bei den Ländern aus, die die andere Hälfte tragen sollen. Dort herrscht weiter Uneinigkeit. Man befinde sich noch in Verhandlungen, so das Sozialministerium von Mecklenburg-Vorpommern. Hinter vorgehaltener Hand heißt es von Beteiligten, dass einige Länder eine Zahlung schlicht ablehnen. Ob der Bund den Fonds notfalls ohne die Beteiligung der Länder auflegt, ist unklar.

Auch die Verabschiedung eines Gesetzentwurfs zur Stärkung der Rechte von Missbrauchsopfern steht noch aus. Der Entwurf aus dem Justizministerium sieht vor, die zivilrechtlichen Verjährungsfristen zu verlängern. Nach der ersten Lesung im Bundestag wurde die Vorlage an den Rechtsausschuss verwiesen. Das ist knapp 20 Monate her. Aus dem Ausschuss heißt es, dass die Union im Zuge der Gesetzesänderung auch eine Anhebung der strafrechtlichen Verjährungsfristen erreichen will. Dagegen sträubt sich die FDP.

Opferverbände sprachen von einem "absoluten Skandal". In einem Brief an die Ministerien schreibt der Sprecher der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, es sei so, als ob akute Verkehrsopfer nicht versorgt werden dürften, solange kein neues Unfallkrankenhaus gebaut werde. Den Betroffenen laufe die Zeit davon.