Nach Dauerstreit der Regierung sollen Verbraucher entlastet werden. Doch viele Bundesländer sehen die Energiewende gefährdet - auch Hamburg.

Hamburg/Berlin. Wenn die Fronten verhärtet sind, der Druck aber wächst und eine Entscheidung her muss, dann entscheiden Politiker schon mal per SMS oder kurzem Handygespräch. So war es auch bei Peter Altmaier (CDU) und Philipp Rösler (FDP): Lange hatte Altmaier stillgehalten, alle offenen und heimlichen Attacken aus der FDP und dem Wirtschaftsministerium ausgehalten. Nun aber musste eine Einigung her. Gerade war das Fest zum politischen Aschermittwoch in Trier beendet, da griff Umweltminister Altmaier zum Telefon. Wirtschaftsminister Rösler war nach einem Kurztrip nach Algier gerade nach Berlin zurückgekehrt, da schickten die beiden Minister Nachrichten hin und her, telefonierten. Und einigten sich spät in der Nacht im Dauerstreit um die erneuerbaren Energien und die steigenden Strompreise doch noch auf ein Konzept. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe den Druck auf die Minister erhöht, endlich zu handeln - denn auch sie weiß: Die Debatten um den Strompreis werden im Wahlkampf zur Bundestagswahl eine große Rolle spielen. Nun also schlagen Altmaier und Rösler vor, zur Begrenzung der Strompreise den Ökostromzuschlag, die EEG-Umlage, auf der Rechnung der Verbraucher ab 2014 auf dem jetzigen Stand von 5,3 Cent pro Kilowattstunde einzufrieren. Dafür soll die Ökostrombranche Einschnitte hinnehmen und die Industrie sich stärker an den Kosten der Energiewende beteiligen. Die Umlage zur Finanzierung der Erneuerbaren war zum Jahr 2013 gestiegen und mitverantwortlich für die Strompreiserhöhung um zehn Prozent für die Haushalte.

Nach den Plänen der Bundesregierung erhalten Neuanlagen in ihren ersten fünf Monaten keine Subvention mehr. Zudem wird die Vergütung für Windanlagen an Land gesenkt sowie weitere Zuschläge für Windstrom abgeschafft. Für neue Solaranlagen ist eine weitere einmalige Kürzung von vier Prozent vorgesehen. Große Ökostromkraftwerke müssen ihre Energie zudem danach direkt über den Markt absetzen. Alle bereits gebauten Anlagen sollen für ein Jahr auf 1,5 Prozent der garantierten Vergütung verzichten. Betreiber von Solar- und Windparks erhalten zur Umsetzung der von Union und FDP beschlossenen Energiewende für 20 Jahre garantierte Vergütungen. Die Kosten von derzeit 20 Milliarden Euro jährlich werden per Umlage über die Strompreise finanziert.

Besonders die Kürzung der gesetzlich festgelegten Vergütungen für Ökostromanbieter trifft bei SPD und Grünen auf Kritik, da sie die Investitionssicherheit untergrabe und eine Finanzierung durch Banken so erschwere oder unmöglich mache. Umweltschutzorganisationen und der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) warnten, die Regierungsvorschläge führten zu einem Abwürgen der Energiewende. Jürgen Trittin, Fraktionschef der Grünen im Bundestag, hatte diese Woche ein eigenes Konzept zur Eindämmung der Strompreissteigerungen vorgelegt, das vor allem größere Lasten für die Industrie vorsieht, aber ebenso die Windkraftbranche geringer subventioniert.

Auch aus Hamburg kommt scharfe Kritik an der Koalition in Berlin - an Stil und Inhalt. "Die Vorschläge erst in letzter Sekunde vorzulegen ist schlechter Stil. Sie konzentrieren sich nur auf den Strompreis und beenden nicht die energiepolitische Konzeptionslosigkeit auf Bundesebene", sagte Umweltsenatorin Jutta Blankau dem Hamburger Abendblatt. Würden die Vorschläge so umgesetzt, sei das ein schwerer Rückschlag für die Windenergiebranche und die Energiewende insgesamt.

"Wir werden uns für eine Lösung einsetzen, die die Energiewende, den ökonomischen Erfolg der Branche sowie der deutschen Industrie mit sozialer Gerechtigkeit vereint. Das ist im Sinne Hamburgs als Hauptstadt der Windenergie."

Blankau fuhr am Donnerstag nach Berlin, genauso wie die Umweltminister der anderen Bundesländer. Sie trafen dort Altmaier. Das Thema war kein geringeres als die Ausarbeitung eines Fahrplans für die Energiewende. Doch wie Teilnehmer berichteten, war sich die Runde zwar einig, dass ein Systemproblem der Finanzierung der Erneuerbaren Hauptursache für die starke Strompreissteigerung ist. Den Willen zu einer grundlegenden Reform noch vor der Bundestagswahl wollte aber eine Mehrheit der Ländervertreter nicht aufbringen. Es blieb bei der Diskussion um eine kurzfristig wirkende Strompreisbremse als "Notlösung". Eine weitere Notlösung bei verhärteten Fronten in der Politik ist: die Gründung eines Arbeitskreises. Und so sollen Vertreter von Bund und Ländern, zumeist von SPD oder Grünen regiert, nun in einer Gruppe ein Konzept zur Eindämmung der Energiewendekosten im Detail besprechen. Sie wollen eine Einigung bis zum 21. März erreichen.

Wirtschaftsminister Rösler erhöhte den Druck auf die Länder: "Jeder, der sich diesem Modell verweigert, wird politisch künftig für jede weitere Strompreissteigerung verantwortlich sein", drohte er den Ministerpräsidenten in der ARD. Rösler will zudem die energieintensiven Unternehmen vor zu hohen Stromkosten schützen. Erst Ende des Jahres hatte er Firmen und Energieunternehmen im Norden besucht und warnte "vor einer Gefährdung des Wirtschaftsstandorts Deutschland durch die hohen Energiekosten".

Eine Einschätzung die auch Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) teilt. Die für die gesamtwirtschaftliche Leistung und den Arbeitsmarkt so bedeutsame energieintensive Industrie dürfe durch die Energiekosten unter keinen Umständen gefährdet werden, sagte Horch dem Abendblatt. Dennoch sieht auch er die nun von Rösler und Altmaier vorgestellte Strompreisbremse als unzureichend. Wie Senatorin Blankau befürchtet auch Horch durch die Maßnahmen des Bundes einen Rückschlag für die Energiewende.