Meinhard von Gerkan beklagt 286 Änderungswünsche am Berliner Airport-Projekt. Wowereit übersteht Misstrauensvotum.

Berlin. Neue Vorwürfe im Berliner Flughafendebakel: Der Hamburger Architekt des Hauptstadtflughafens BER, Meinhard von Gerkan, macht für die Pannen am Bau und den immer wieder verschobenen Eröffnungstermin die Betreibergesellschaft verantwortlich. Die Arbeit der Berliner Flughafengesellschaft habe sich als "groß angelegte Täuschung" herausgestellt, heißt es laut "Spiegel" in einem Schriftsatz der Anwälte Gerkans. Die Manager hätten mit Umbauwünschen den Bauablauf "regelrecht zerschossen". Überdies hätten sie "wider besseres Wissen gegenüber ihrem eigenen Aufsichtsrat und der Öffentlichkeit" suggeriert, dass das Terminal "pünktlich und innerhalb des Wunschbudgets fertig werden könne".

Die Flughafengesellschaft hatte Gerkans Architekten in der Planungsgemeinschaft pg bbi im Mai entlassen und wenig später wegen angeblich massiver Fehlplanung verklagt. In einer 99-seitigen Klageerwiderung werfen die Architekten den Angaben zufolge ihrem ehemaligen Auftraggeber nun vor, das Termin- und Finanzchaos selbst verursacht zu haben. So hätten 286 Planänderungsanträge bis Mai 2012 zu einer "fortdauernden Behinderung der eigenen Baustelle" geführt. Verheerende Folgen habe vor allem die Entscheidung gehabt, das Terminal zum Shoppingcenter auszubauen. Für Verkaufsflächen nach den Sicherheitskontrollen hätten etwa die Check-in-Schalter reduziert werden müssen.

Der frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) sieht in Anfangsfehlern den Grund für das aktuelle Chaos am Berliner Großflughafen. Sarrazin sagte dem "Focus": "Der neue Flughafen ist von vorneherein zu klein und zu wenig in den Details geplant worden." Daraus ergäben sich fast zwangsläufig Folgefehler. Das sei wie bei einem Einfamilienhaus: "Wenn Sie zwei Kinderzimmer einplanen, beim Bau ein drittes Kind bekommen und ein zusätzliches Bad einziehen, wird das für den Architekten verwirrend und für Sie teuer. Das hätten Sie besser vorher überlegt."

Das brandenburgische Parlament befasst sich am heutigen Montag mit dem Debakel um die vierte Verschiebung der Eröffnung des Hauptstadtflughafens in Schönefeld. Dabei wird Ministerpräsident Platzeck (SPD) die Vertrauensfrage stellen. Es ist das erste Mal in der Geschichte des Landes Brandenburg, dass ein Ministerpräsident einen solchen Schritt unternimmt. Platzeck will am Mittwoch auf einer vorgezogenen Sitzung des Aufsichtsrats der Flughafengesellschaft den Vorsitz des Gremiums von Berlins Regierendem Bürgermeister Wowereit (SPD) übernehmen. Die rot-rote Koalition im Parlament signalisierte bereits ihre Unterstützung. SPD und Linke kommen im Parlament auf 55 von 88 Stimmen.

Trotz des Flughafendebakels fand am Sonnabend ein Misstrauensantrag von Grünen, Linken und Piraten gegen Wowereit im Berliner Abgeordnetenhaus keine Mehrheit. 85 Abgeordnete stimmten für einen Verbleib des Regierungschefs, 62 sprachen sich gegen ihn aus. Wowereit, der seit 2001 regiert, kann damit weiterhin die Amtsgeschäfte der seit gut einem Jahr bestehenden rot-schwarzen Koalition führen. "Die Koalition hat Handlungsstärke bewiesen", sagte Wowereit. Zugleich bekräftigte er, das Bürgermeisteramt nun bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2016 "ausfüllen" zu wollen. Auf die Frage im TV-Sender "Phoenix", ob mit der Eröffnung des Flughafens noch während seiner Amtszeit zu rechnen sei, sagte der SPD-Politiker: "Da können Sie sicher sein."

Am Mittwoch will sich der Haushaltsausschuss des Bundestags mit dem Airportdebakel befassen. Ob Wowereit und Flughafen-Technikchef Horst Amann an der Sitzung teilnehmen werden, ist fraglich. Denn an diesem Tag will der Aufsichtsrat den Weg für einen umfassenden Neustart frei machen. Neben der Ablösung von Flughafenchef Rainer Schwarz ist die Installation eines Vorstandspostens für Finanzen vorgesehen. Dann soll auch der zwischen den Gesellschaftern verabredete Wechsel zwischen Platzeck und Wowereit an der Spitze des Aufsichtsrats vorgenommen werden.