Nur noch jeder vierte Deutsche hält die Mission am Hindukusch für einen Erfolg. Ansehen der Bundeswehr hat darunter aber nicht gelitten.

Berlin. Die Zustimmung zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr ist in Deutschland auf einen Tiefpunkt gesunken: Mindestens jeder zweite Bundesbürger lehnt den Einsatz ab, nur noch 38 Prozent stehen hinter der Mission. Zu dem Ergebnis kommt die jüngste Bevölkerungsbefragung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr. "Nur noch jeder vierte Befragte bewertet diese Mission mehr oder weniger als einen Erfolg", schreibt der Soziologe Thomas Bulmahn in der Studie. Der Rückgang der Zustimmung lasse sich vor allem auf die Wahrnehmung ausbleibender Fortschritte, steigender Kosten und zunehmender Gefahren für die eingesetzten Soldaten zurückführen. Vor einigen Jahren waren die Meinungsverhältnisse zum Afghanistan-Einsatz noch umgekehrt: 2008 sprachen sich 63 Prozent dafür aus, 34 Prozent waren dagegen.

Auch wenn der größte deutsche Militäreinsatz mittlerweile als Fehlschlag bewertet wird, hat er noch keinen Imageschaden für die Truppe angerichtet. Drei von vier Bürgern sagten in der Umfrage, ihre Haltung gegenüber den Streitkräften sei "sehr positiv" oder "eher positiv". 79 Prozent verbinden mit der Bundeswehr das Gefühl von Vertrauen, von Hochachtung sprechen 69 Prozent, von Stolz 68 und von Dankbarkeit 67 Prozent. Etwa jeder vierte Befragte empfindet allerdings auch Gleichgültigkeit (24 Prozent) oder Langeweile (23 Prozent), wenn er auf die Bundeswehr angesprochen wird.

Das Institut TNS-Emnid interviewte für die aktuelle Umfrage zum sicherheits- und verteidigungspolitischen Meinungsbild in Deutschland im Sommer 2500 Bundesbürger. Eine Mehrheit - 86 Prozent - ist der Ansicht, dass die Bundeswehr relevant ist für Deutschland.

Dass die Zustimmung zur Afghanistan-Mission immer geringer wird, nennt Grünen-Verteidigungspolitiker Omid Nouripour einen "schleichenden Prozess der Erosion". Zwei Phänomene kämen hier zusammen: "Die einen sind enttäuscht von dem, was wir in Afghanistan erreicht haben, weil anfangs zu viel versprochen wurde", sagte Nouripour. "Den anderen fehlt die Begründung, warum wir da sind." Die Bundesregierung habe in den vergangenen Jahren nicht unbedingt damit geglänzt, diesen Bundeswehreinsatz zu erklären. "Es reicht nicht, wenn das nur der Fachminister macht."

Auch dem Vize-Vorsitzenden des Bundeswehrverbands, André Wüstner, fehlen die nötigen Erklärungen für Missionen in fernen Ländern. Er fordert von den Verantwortlichen "mehr Mut zur Debatte". "Die Bevölkerung verträgt mehr, als manch ein Politiker denkt", sagte Wüstner. Bisher würde erst über Bedrohungen im Ausland informiert, wenn es zum Einsatz von Streitkräften komme. "Und wenn es dann so weit ist, versteht niemand, was wir überhaupt erreichen wollen und warum." Beim neuen Konfliktherd Sahel-Zone werde sich nun zeigen, "ob wir aus Afghanistan gelernt haben oder ob wir weiterhin unter einer politischen Strategielücke leiden".

Mehr Erklärungen, aber weniger Interesse hat die Bevölkerung offenbar beim Thema Veteranen. Die Diskussion, die Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) darüber seit Monaten in Gang bringen will, geht am Volk vorbei. "An der Mehrheit ist diese Debatte bisher vorbeigegangen (71 Prozent)", heißt es in der Bevölkerungsbefragung. "Sowohl das Interesse an der Bundeswehr als auch an deren Veteranen sind in unserer Gesellschaft leider noch unterentwickelt", sagte der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus. Vermutlich habe dieses Desinteresse auch etwas mit der ursprünglichen Verengung des Themas auf die Einführung eines Veteranentages zu tun. "Nicht Ehre und Anerkennung, sondern Fürsorge sollte im Zentrum der Diskussion stehen", sagte der FDP-Politiker.

De Maizière hatte im September 2011 im Bundestag angekündigt, sich diesem Thema verstärkt zu widmen, zwischendurch auch einen Ehrentag für Veteranen vorgeschlagen, ein Veteranenkonzept angekündigt und im Oktober schließlich eine vage Definition vorgestellt: Veteranen seien "Soldaten mit Einsatzbezug". Was genau das bedeutet und welche Folgen das haben soll, lässt er offen.

Der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold hält das Ganze für eine "abstrakte Debatte". "Das Thema ist mausetot", sagte er. "Die Vorstellung, dass es zu einer breiten Diskussion kommt, ist eine völlige Fehleinschätzung." Selbst in der Bundeswehr wünsche sich das Gros der Soldaten nicht, als Veteran bezeichnet zu werden. "Sie wünschen sich aber sehr wohl Respekt und Anerkennung in der Gesellschaft und dass der Dienstherr besser für die Ausgeschiedenen sorgt." Wie schwierig allein die Definition des Themas ist, zeigt die Umfrage des Sozialwissenschaftlichen Instituts ebenfalls. "Die meisten denken beim Stichwort Veteran an alte oder altgediente ehemalige Soldaten, an Kriegsheimkehrer oder an Kriege, wie den Zweiten Weltkrieg oder den Vietnamkrieg", heißt es in der Studie. "Einen expliziten Bezug zur Bundeswehr stellen nur sechs Prozent der Befragten her, nur wenige denken dabei an die Auslandseinsätze."

Der Wehrbeauftragte versteht unter dem Begriff "Veteranen" alle Soldaten, die im Auslandseinsatz waren und "um die wir uns unter Fürsorgegesichtspunkten nach ihrer Rückkehr kümmern müssen". "Die Langzeitfolgen der Einsätze der Bundeswehr verpflichten den Dienstherrn schon heute zur Fürsorge für seine Veteranen", sagte Königshaus. Bisher gebe es jedoch noch kein System der vorsorgenden Betreuung und der fürsorglichen Hilfe. Auch für den Autor der Studie hängt der Erfolg einer Veteranenpolitik davon ab, "welche konkreten Maßnahmen ergriffen werden und wie diese von den Betroffenen und von der Bevölkerung wahrgenommen und akzeptiert werden." De Maizière hatte sein Veteranenkonzept für Ende 2012 angekündigt. Bisher liegt es nicht vor.

Die Bevölkerungsbefragung drehte sich zu einem Großteil um den neuen Slogan "Wir. Dienen. Deutschland", mit dem die Bundeswehr nach Aussetzung der Wehrpflicht Nachwuchs begeistern will. Den Untersuchungen zufolge wirkt er sich durchaus positiv auf das Image der Truppe aus - nur: Bisher hat überhaupt nur jeder siebte Bürger (14 Prozent) den Spruch wahrgenommen. Diejenigen, die ihn kennen, finden ihn mehrheitlich (76 Prozent) gut. Bei der Zielgruppe, den jungen Männern zwischen 16 und 29 Jahren ist die Begeisterung noch etwas größer. Allerdings: Spezielle Internetangebote zu der Kampagne wie eine eigene Homepage blieben laut der Bevölkerungsbefragung bisher "weitgehend unbeachtet".