"Kaum jemand kennt das Prostitutionsgesetz", sagt Gudrun Greb. Die 51-Jährige ist Geschäftsführerin von "Ragazza", einem Verein, der auf St. Georg eine Anlaufstelle vor allem für drogensüchtige Prostituierte ist.

Greb ist enttäuscht: Das Gesetz sei ein erster Schritt gewesen. Prostituierte sollten Rechtssicherheit bekommen: "Dafür, dass das Geschäft, das sie betreiben, auch ein Geschäft ist." Doch viele Sexarbeiter kennen das Gesetz gar nicht. "Wer soll sie denn über ihre Rechte informieren? Eine Gewerkschaft oder einen Betriebsrat für Prostituierte gibt es ja nicht", sagt Greb. Viele Prostituierte glaubten ohnehin, dass sie nur wenig Rechte haben. Dabei sollte das Gesetz bewirken, dass Sexarbeiter nicht automatisch als Berufskriminelle angesehen werden. "Eine Frau, die auf St. Georg anschaffen geht, muss sich als Schwerstkriminelle fühlen", sagt Greb.

Obwohl der "Runde Tisch Sexuelle Dienstleistungen" vor zweieinhalb Jahren sich dafür starkgemacht hatte, die Arbeitsbedingungen von Sexarbeitern zu verbessern, wurde für St. Georg die Kontaktverbotsverordnung erlassen. Prostituierte und Freier riskieren hohe Bußgelder, wenn sie bei der Kontaktaufnahme erwischt werden. Greb sieht die Verordnung wie ein Berufsverbot und als Diskriminierung. "Hamburg wirbt mit Sex auf St. Pauli - und greift auf St. Georg in die Arbeitsbedingungen der Sexarbeiter ein. Hamburg tut so, als ob es in St. Georg keine Sexarbeit geben darf."

Die scharfen Regeln wirkten sich auf das Leben der Prostituierten aus, so Greb: Jede Sexarbeiterin, die sich im Sperrgebiet aufhalte, gehe aus Sicht der Behörden der Sexarbeit nach und könne ein Bußgeld erhalten - auch wenn sie mit vollen Einkaufstaschen aus dem Supermarkt kommt. "Die Straße ist ein Arbeitsort für Prostituierte. Aber weil der Stadtteil aufgewertet werden soll, müssen die Sexarbeiter weg." Viele Prostituierte arbeiteten trotzdem in St. Georg, weil sie das Geld benötigten. Sie bekämen Bußgelder, verschuldeten sich. Die netten Freier von früher blieben weg. Es kämen diejenigen, vor denen die Prostituierten sich fürchten. Freier könnten die Prostituierten erpressen und machten Druck. Wollten die Frauen sich nicht auf bestimmte Praktiken oder niedrigere Preise einlassen, drohten die Freier, woanders hinzugehen. Schließlich, so die Argumentation der Freier, gingen sie ja das Risiko ein, ein Bußgeld zu erhalten. "Die Anfragen nach ungeschütztem Sex sind gestiegen. Die Anzahl der Infektionen von sexuell übertragbaren Krankheiten auch", sagt Greb. Die Preise für sexuelle Dienstleistungen in St. Georg seien seit der Einführung der Kontaktverbotsverordnung um mehr als ein Drittel gefallen.

Trotz des Prostitutionsgesetzes gebe es weiterhin Sondergesetze für Sexarbeiter, kritisiert die Sozialarbeiterin. Etwa den Paragrafen 232 des Strafgesetzbuches, der "Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung" behandele. "Wollte man Sexarbeit wirklich als einen Beruf anerkennen, wäre dieser Paragraf komplett hinfällig." Der Paragraf 233 behandele ohnehin den "Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft". Wäre der Beruf auch rechtlich voll anerkannt, würden Verbrechen gegen die Frauen wie etwa Vergewaltigung nach den bereits bestehenden Gesetzen verurteilt - und nicht automatisch mit Prostitution in Zusammenhang gebracht, sagt Greb.