Peter Strucks Merkmal waren markante Sprüche. Durch seinen Tod verliert Deutschland einen authentischen Politiker.

Berlin/Uelzen. Für den verstorbenen SPD-Politiker Peter Struck ist in seiner Heimatstadt Uelzen ein Kondolenzbuch ausgelegt worden. Zwei Wochen lang könnten Bürger in dem im Rathaus ausliegenden Buch nun ihre Trauer ausdrücken, teilte die Stadtverwaltung am Donnerstag mit. „Uns ist wichtig, den Menschen eine Möglichkeit zu geben, ihr Mitgefühl zu zeigen“, sagt Bürgermeister Otto Lukat (SPD).

Struck war am Mittwoch im Alter von 69 Jahren nach einem Herzinfarkt in einer Berliner Klinik gestorben. Er war 48 Jahre lang SPD-Mitglied, gehörte 29 Jahre dem Bundestag an und war von 2002 bis 2005 Bundesminister der Verteidigung.

„Mit Struck verliert Deutschland einen aufrechten Charakter“

Es gibt das strucksche Gesetz. Dieser Satz des SPD-Politikers Peter Struck wird seinen Tod auf Jahrzehnte überdauern. "Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es eingebracht worden ist", stellte der knorrige Pfeifenraucher des Öfteren öffentlich klar. Damit sandte der langjährige Fraktionschef die unmissverständliche Botschaft an die Regierung und ihre Ministerialbürokratie, dass der Bundestag sich nicht fernsteuern lassen will und auf seine im Grundgesetz verbriefte Macht als alleiniger Gesetzgeber pocht.

Das strucksche Gesetz bringt die Entwicklung eines Gesetzes auf den Punkt: Es gibt einen mit viel Feuereifer geschriebenen Entwurf, dann äußern Sachverständige ihre Meinung dazu, schließlich muss das Ganze noch durch die Ausschüsse des Bundestags und schließlich im Plenum verabschiedet werden. Am Ende steht dann das fertige, das andere Gesetz. Es war nicht der einzige historische Satz in Strucks politischer Karriere.

Glatze, Schnauzbart, die Pfeife im Mund und sein schweres Motorrad, das waren Peter Strucks Markenzeichen. Am Mittwoch ist der über Parteigrenzen hinweg geschätzte Sozialdemokrat in der Berliner Charité gestorben - an den Folgen eines Herzinfarkts.

Erst am Montag war der 69 Jahre alte frühere Verteidigungsminister für zwei weitere Jahre zum Vorsitzenden der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung gewählt worden. Die Einladungen für Strucks 70. Geburtstag am 24. Januar sollten in den nächsten Tagen herausgehen. Auf der geplanten Feier wollte der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder sprechen, mit dem sich Struck so manches Wortgefecht lieferte.

Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) sagte, mit Struck verliere Deutschland einen aufrechten Charakter, der wie kaum ein anderer die Verteidigungspolitik des Landes verkörpert habe. "Er hat die Soldaten gemocht und sie ihn."

In seiner aktiven Zeit war Struck der lebende Beweis dafür, dass ein loses Mundwerk in der Politik kein Nachteil sein muss. Mit polternden Rundumschlägen in Tonlagen wie "Die CDU kann mich mal" versetzte er in der Großen Koalition (2005 bis 2009) die Union regelmäßig in Rage. Besonders in den Augen von Angela Merkel galt der Mann der klaren Aussprache nicht selten als provozierender Störenfried. Zum Tode Strucks sagte Merkel, sie sei von "großer Trauer" erfüllt. "Peter Struck hat unserer Demokratie 29 Jahre lang als Abgeordneter gedient, er war ein bedeutender Parlamentarier und großer Sozialdemokrat", sagte die Kanzlerin.

Mit Unionsfraktionschef Volker Kauder bildete Struck in der Großen Koalition ein erfolgreiches Gespann, um das Bündnis von SPD, CDU und CSU auch in Krisen zusammenzuhalten. Kauder sagte jetzt, Struck sei in dieser Zeit zu einem verlässlichen Freund und Wegbegleiter geworden.

Dass er sich auch von der Kanzlerin den Mund nicht verbieten ließ, verschaffte Struck in den eigenen Reihen viel Autorität. Die schwierig zu führende SPD-Fraktion stand fast immer geschlossen hinter ihm. Zu seinem Führungsstil gehörte, dass er den Abgeordneten glaubhaft das Gefühl gab, vor allen wichtigen Entscheidungen mitreden zu können. In seinen insgesamt acht Jahren an der Spitze der Fraktion, die er auch schon von 1998 bis 2002 führte, prägte der Sohn eines Autoschlossers und einer Kioskbesitzerin aus Göttingen auch den Spruch: "Die Diskussionsfreude finde ich gut. Eine stumme Partei ist 'ne dumme Partei." Stumm war Struck nie.

Er studierte Jura, nach der Promotion mit einer Arbeit über Jugendkriminalität und Alkohol war er zwischenzeitlich in der Hamburger Verwaltung tätig. Von 1990 bis 1998 war er parlamentarischer Geschäftsführer, dann Fraktionsvorsitzender. Nach dem Rücktritt von Rudolf Scharping wurde er 2002 kurzfristig ins Verteidigungsministerium abkommandiert.

An dem zunächst ungeliebten Amt gewann der Parteisoldat rasch Gefallen und verschaffte sich auch bei Rekruten und Generälen viel Anerkennung. Er prägte den Satz, Deutschlands Sicherheit werde auch am Hindukusch - also in Afghanistan - verteidigt. In seiner Ministerzeit erlitt Struck einen Schlaganfall, von dem er sich aber gut erholte. Obwohl er eigentlich gerne länger auf diesem Posten geblieben wäre, musste er mit der Großen Koalition von 2005 an wieder die Fraktion übernehmen.

Er gehörte 29 Jahre lang dem Bundestag an, aus dem er 2009 ausschied. Seine Familie in Uelzen hatte ihm schon viel früher geraten, mit der Politik Schluss zu machen. Doch die Arbeit ließ ihn nie richtig los.

Nach dem Abschied aus Berlin nahm sich Struck mehr Zeit für seine drei erwachsenen Kinder und seine sechs Enkel sowie seine wohl größte Leidenschaft: in dicker Lederkluft auf seinem schweren Motorrad durch die Landschaft zu brettern.