Es ist beschlossene Sache: Nach langen Diskussionen beginnt ein neuer Anlauf für ein NPD-Verbot. Der Bundesrat prescht vor, ohne Hessen.

Berlin. Fast zehn Jahre nach dem gescheiterten ersten Versuch beginnt ein neuer Anlauf für ein NPD-Verbot. Der Bundesrat entschied am Freitag, vor dem Bundesverfassungsgericht ein Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei einzuleiten. 15 Länder brachten den Vorstoß gemeinsam ein. Lediglich Hessen enthielt sich und begründete dies mit juristischen und politischen Risiken des Verfahrens.

Das hessische Votum steht dem Vorhaben aber nicht im Wege. Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) mahnte: „Rechtsextremismus ist eine Schande für unser Land. Wir müssen ihn ächten.“

2003 war ein erster Versuch, die NPD zu verbieten, in Karlsruhe gescheitert, weil Informanten des Verfassungsschutzes (V-Leute) auch in der Führungsebene der Partei tätig waren. Dieses Problem sei nun ausgeräumt, versichern die Länder.

Trotzdem gibt es einige Skeptiker. Hessens Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) verwies auf die Risiken des Verfahrens. Die größte Gefahr bestehe in einem erneuten Scheitern - dies würde die NPD deutlich aufwerten. Außerdem löse ein Verbotsverfahren nicht das Problem des Rechtsextremismus. Da die Zielsetzung aber legitim sei, stelle sich Hessen nicht gegen einen neuen Antrag, betonte Hahn.

Die hessische Regierung hatte ihre Bedenken schon bei den vorbereitenden Beratungen der Innenminister und Ministerpräsidenten vorgebracht und in Protokollerklärungen festgehalten. Die übrigen Länder sprachen dagegen geschlossen von der Notwendigkeit eines neuen Verbotsantrags. „Wir sind überzeugt: Die NPD ist verfassungswidrig“, sagte Lieberknecht. Bund und Länder seien gefordert, im Kampf gegen den Rechtsextremismus alle rechtsstaatlichen Mittel auszuschöpfen.

Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) sagte, die Materialsammlung gegen die NPD belege zweifelsfrei deren Verfassungsfeindlichkeit. Die Partei vertrete offen rassistische und antisemitische Haltungen und stehe gewaltbereiten Gruppen nahe. „Ja, wir gehen ein Risiko ein“, räumte er ein. „Aber dieses Risiko sollten wir in Kauf nehmen.“ Es sei eine Verpflichtung, nun für ein neues Verbotsverfahren einzustehen.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) äußerte sich optimistisch, dass der Verbotsantrag Erfolg haben wird. Das Verfahren sei gut vorbereitet. „Diese Partei greift unsere Grundwerte an – jeden Tag und überall in Deutschland“, sagte Albig. Demokraten müssten mit rechtsstaatlichen Mitteln gegen die braune Horde vorgehen. „Es ist ein scharfes Schwert, das wir ziehen. Aber wer angegriffen wird, muss sich verteidigen.“ Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) räumte ein, ein Parteiverbot sei kein Allheilmittel, aber ein starkes Zeichen.

Ob Bundesregierung und Bundestag bei dem neuen Anlauf mitziehen, ist offen. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat große Bedenken. Die schwarz-gelbe Regierung will bis spätestens Ende März 2013 entscheiden. Wann der Bundestag darüber berät, ist noch unklar. Parlamentspräsident Norbert Lammert (CDU) hat aber bereits von einer Beteiligung des Bundestages abgeraten. Die politischen Risiken seien größer als die erhofften Vorzüge, sagte Lammert im WDR-Hörfunk.

Die Länder wollen notfalls auch alleine nach Karlsruhe gehen. Formal genügt der Antrag eines Verfassungsorgans – also von Bundesrat, Bundestag oder Bundesregierung. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) appellierte aber an Parlament und Regierung, eigene Verbotsanträge zu stellen. Nötig sei ein geschlossenes Vorgehen aller Demokraten gegen die NPD. Die Partei sei „kein Verein von harmlosen rechten Spinnern“, mahnte Wowereit. „Diesem Treiben darf eine stolze, eine wehrhafte Demokratie nicht tatenlos zusehen.“

Der Weg für ein neues NPD-Verbotsverfahren ist frei. Der Bundesrat beschloss am Freitag in Berlin, das Verbot der rechtsextremen Partei beim Bundesverfassungsgericht zu beantragen. Auf diesen Schritt hatten sich Anfang Dezember bereits die Ministerpräsidenten verständigt. 15 Länder brachten den Vorstoß gemeinsam ein, lediglich Hessen enthielt sich bei der Abstimmung. Das hessische Votum steht dem Vorhaben aber nicht im Wege.

Der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) warnte, ein erneut gescheitertes Verbotsverfahren würde zu einer Aufwertung der NPD führen. Zudem sei zu befürchten, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein mögliches NPD-Verbot wieder kassiert. Außerdem löse ein Verbotsverfahren nicht das Problem des Rechtsextremismus. Da die Zielsetzung aber legitim sei, stelle sich Hessen nicht gegen einen neuen Antrag, betonte Hahn.

Dennoch warben im Bundesrat mehrere Ministerpräsidenten für das neue Verbotsverfahren. Thüringens Regierungschefin Christine Lieberknecht (CDU) betonte: „Wir sind davon überzeugt, die NPD ist verfassungswidrig.“ Aus dem Scheitern des ersten Verbots seien „Konsequenzen gezogen“ und nur öffentlich zugängliche Belege gesammelt worden.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) sagte, die Gefahr sei nicht das Scheitern vor Gericht, sondern „das Scheitern vor unserer Geschichte“. Ein Parteienverbot sei in der Tat ein „scharfes Schwert“, aber „wer angegriffen wird, muss sich wehren“. Die NPD wolle „unsere Demokratie am Ende abschaffen“. Albig fügte hinzu, es sei „eine Zumutung, dass eine Demokratie ihre eigenen Feinde mit Steuergeldern aufpäppelt“.

Ob sich Bundestag und Bundesregierung dem Antrag der Länder anschließen, ist noch offen. Die Bundesregierung will darüber im ersten Quartal 2013 entscheiden. Unter anderen hatte sich Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wegen der ungewissen Erfolgsaussichten eines Verbotsverfahrens skeptisch geäußert.

Das erste Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei war im März 2003 in Karlsruhe gescheitert, weil im Beweismaterial auch Äußerungen von NPD-Mitgliedern zitiert waren, die zugleich als Spitzel für den Verfassungsschutz arbeiteten.