Interner Zwist über Homo-Ehen, Mütterrenten und das Großstadtprofil der Christdemokraten soll auf Parteitag ausgetragen werden.

Hannover/Berlin. Einen wie Ole von Beust könnte die CDU jetzt gut gebrauchen. Von 2001 bis 2010 regierte der heute 57-Jährige als Erster Bürgermeister in Hamburg. Er schmiedete das erste schwarz-grüne Bündnis auf Landesebene, und er bekannte sich, wenn auch spät, offen zu seiner Homosexualität. Von Beust kennt sich aus mit der Lebenswirklichkeit in großen Städten. Und genau hier hat die CDU ein Problem, und das seit Langem.

Am Sonntagabend ging mal wieder eine große Stadt für die Christdemokraten verloren. Nach 42 Jahren Regentschaft musste die CDU bei der Oberbürgermeisterwahl in Karlsruhe den Chefsessel im Rathaus für die SPD und ihren Kandidaten Frank Mentrup räumen. Es war nicht der erste Nackenschlag dieser Art in diesem Jahr. "Bei der Union bröckelt es, und zwar ganz gezielt in den Großstädten", kommentierte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles die Entwicklung. Von den 16 Landeshauptstädten stellt die CDU nur noch in Dresden, in Düsseldorf und Wiesbaden die Oberbürgermeister. Elf Stadtoberhäupter haben ein SPD-Parteibuch. In Stuttgart regiert mit Fritz Kuhn ein Grüner, in Schwerin mit Angelika Gramkow eine Linke-Politikerin.

Das Großstadtproblem ist für die CDU nicht neu, seit den Zeiten von Konrad Adenauer sei das so, wiegelte der ehemalige Ministerpräsident Erwin Teufel unlängst ab und warnte davor, bei allem Bemühen um Modernität die Stammwähler zu vernachlässigen. Das sehen CDU-Politiker mit Großstadterfahrung anders. Von Beust glaubt, dass Schwarz-Grün das Lebensgefühl in den Großstädten widerspiegelt. Vielleicht fehlen der CDU aber auch die richtigen Politiker, um in großen Städten Wahlen zu gewinnen. Die künftige CDU-Vizechefin Julia Klöckner warnte vor dem Bundesparteitag in Hannover zwar davor, dass die CDU sich treu bleiben müsse und nicht zwei Gesichter - eines für die Landbewohner und eines für die Städter - zeigen dürfe. Allerdings sollte sich die Partei auch "unkonventionellen Köpfen" öffnen.

Vor dem Parteitag machte die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel deutlich, dass sie sich gegen eine offene Parteitagsdebatte über die steuerliche Gleichbehandlung von Homo-Ehen nicht sperre. Ihr sei es "außerordentlich recht", wenn über das Thema diskutiert werde, sagte Merkel beim Hallenrundgang in der Messe Hannover. In der CDU wird darüber gestritten, ob homosexuellen Paaren im Steuerrecht gleiche Rechte einzuräumen sind wie anderen Ehepaaren. Eine Gruppe um den Berliner CDU-Bundestagsabgeordneten Jan-Marco Luczak beantragt für den Parteitag eine steuerrechtliche Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften.

"Das Entscheidende ist, dass die CDU gesellschaftliche Realitäten anerkennen muss", mahnte Luczak in der "Berliner Zeitung". Merkel hingegen hatte sich für ein Festhalten an der steuerlichen Privilegierung der Ehe beim Splittingtarif ausgesprochen. In "Bild am Sonntag" räumte sie zugleich ein, sie wisse nicht, ob sie sich mit ihrer Position durchsetzen könne.

In Hannover sagte Merkel, sie sei jemand, der gerne Diskussionen führe. "Mir ist es absolut recht, wenn ich ein Votum eines Parteitags mit in meine politische Arbeit nehme", sagte sie. Merkel erinnerte unter anderem an den Parteitag 2010 in Karlsruhe, wo die Delegierten mehr als drei Stunden über die Präimplantationsdiagnostik (PID) diskutierten und sich am Ende knapp für ein Verbot der gentechnischen Untersuchung von Embryos aussprachen.

Merkel zeigte sich auch offen für das zweite heikle Thema des Parteitags: höhere Renten für Mütter. "Ja, wir müssen hier ein Zeichen setzen." In der Debatte müsse man die Situation der Frauen, auf der anderen Seite aber auch die Finanzen im Blick haben.

Die Frauen Union will "für die Verbesserung der Kindererziehungszeiten in der Rente kämpfen", wie die FU-Vorsitzende Maria Böhmer in der "Süddeutschen Zeitung" ankündigte. Ein reiner Prüfauftrag, wie ihn die CDU-Spitze beschließen lassen wolle, reiche der Frauen Union nicht.

Beim 25. CDU-Bundesparteitag steht heute auch die Neuwahl des Vorstands an. Merkel, die seit April 2000 Parteivorsitzende ist, stellt sich zur Wiederwahl. Ihr sollen in Zukunft fünf statt vier Stellvertreter zur Seite stehen. Ausscheiden werden Bildungsministerin Annette Schavan und Ex-Umweltminister Norbert Röttgen. Nachfolgen soll unter anderem Julia Klöckner, 39, Landes- und Fraktionschefin in Rheinland-Pfalz. Sie gilt in der Partei als Hoffnungsträgerin. Die frühere Deutsche Weinkönigin und Religionslehrerin machte eine Ausbildung zur Journalistin, kam 2002 in den Bundestag und wurde 2009 Staatssekretärin im Agrarministerium, ehe sie ein Jahr darauf nach Mainz wechselte.

Der CDU-Landeschef in Baden-Württemberg, Thomas Strobl, 52, steht ebenfalls zur Wahl. Er wurde nach der verlorenen Landtagswahl 2011 Landeschef. Dasselbe gilt für Armin Laschet, 51, den Chef des größten Landesverbandes, Nordrhein-Westfalen. Der Rheinländer gilt als Modernisierer. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, 54, kandidiert ebenfalls wieder. Sie gilt als Unterstützerin Merkels, auch wenn sie mit der Kanzlerin bei den Themen Rente und Frauenquote nicht übereinstimmte. Von der Leyen wird auch als mögliche Nachfolgerin im Kanzleramt genannt. Vor der Wiederwahl steht auch Ministerpräsident Volker Bouffier, 60. Er führt den konservativ geprägten CDU-Landesverband Hessen.

Schon vor dem Parteitag stellte Generalsekretär Hermann Gröhe klar: Die CDU werde keine formelle Koalitionsaussage zugunsten der FDP beschließen. Zwar habe die CDU mit der FDP "die größte inhaltliche Schnittmenge". Doch jede Partei werbe für sich.