SPD-Kandidat Peer Steinbrück versucht, die Euro-Rettung zu kritisieren. Aber Angela Merkel bietet gerade hier kaum Angriffsfläche.

Berlin. Nein, ein drittes Mal möchte Peer Steinbrück der Kanzlerin nicht applaudieren. Das geht nicht an, ausgerechnet während der Generaldebatte im Parlament und dann noch binnen so kurzer Zeit. Dabei hat Angela Merkel etwas gesagt, was Steinbrück teilt, aber vielleicht ist ja genau das sein Problem. Der SPD-Kanzlerkandidat also entscheidet sich dafür, seine Hände nicht zu rühren, nachdem Angela Merkel "unseren Soldaten von Herzen dankt für ihren Einsatz in Afghanistan". Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier, die Steinbrück in der ersten Reihe ihrer Fraktion einrahmen, applaudieren indes. Aber sie sind ja auch drum herumgekommen, die Kanzlerin herausfordern zu müssen.

Es war die letzte Debatte über den Einzelplan 04, also den Etat des Bundeskanzleramtes, in dieser Legislaturperiode. Doch dass Angela Merkel zum letzten Mal während einer Haushaltsdebatte auf ihrem Kanzlerinnen-Sessel Platz genommen hatte, das wollte nicht einmal Peer Steinbrück vorhersagen. Der Kanzlerkandidat hielt eine allenfalls durchschnittliche Rede, die im Rahmen seiner meist erstklassigen Rhetorik geradezu mau daherkam. Der Kanzlerin, deren verbale Kunst von uckermärkischem Temperament geprägt ist, gelang es wiederum, eine weitgehend präsidiale Gemeinsamkeitsrede zu halten.

Steinbrück, der die Debatte eröffnete, muss das geahnt haben. "Frau Bundeskanzlerin, wir haben im Schloss Bellevue bereits einen Präsidenten", pfefferte er Merkel entgegen. "Sie sind als Chefin einer Regierung für deren Handwerk und Qualität verantwortlich." Es ist schon bezeichnend, dass die SPD Selbstverständliches hervorheben muss. Erkennbar angefasst von den Querelen des eigenen Managements verstand es Steinbrück nur sehr bedingt, mit Attacken auf die bescheidene Regierungskunst der schwarz-gelben Koalition zu punkten. Bekannte Formeln wiederholte er, warnte vor "Fliehkräften in der Gesellschaft", holte das drei Jahre alte Wachstumsbeschleunigungsgesetz aus der Mottenkiste und polemisierte gegen das Betreuungsgeld. Doch Steinbrück kam gar nicht umhin, Merkel zu loben, etwa für die "sehr kluge Anti-Krisen-Politik in der großen Koalition". Es war beileibe nicht nur ein Selbstlob des damaligen Finanzministers. Vergangenheitsbewältigung schwang ebenso mit, als Steinbrück seinem Nachfolger Wolfgang Schäuble (CDU) vorwarf, nicht längst einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt zu haben. Den hatte einst auch Steinbrück angestrebt und propagiert, ein Mangel an Sparwillen und die Krise waren dann dazwischengekommen.

"Jede Frittenbude in Deutschland wird besser gemanagt als diese Energiewende", polterte Steinbrück. Doch die Mienen der eigenen Parteifreunde blieben eher finster, und der Applaus allenfalls höflich. Abermals kritisierte Steinbrück Merkels Politik in der Euro-Krise. Er listete die längst gebrochenen Aussagen ("Kein Cent für Griechenland") auf. Er forderte: "Sagen Sie einfach, was ist."

Merkel tue zu wenig für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und für die Wachstumsförderung, monierte Steinbrück. Genau dies aber sei Voraussetzung für das Ja von SPD und Grünen zu Euro-Rettungsmaßnahmen gewesen. "Wenn wir uns von Ihnen hinter die Fichte geführt fühlen in diesem Punkt, dann werden wir Ihnen erneut die Kastanien aus dem Feuer nicht mehr rausholen, wenn Sie unsere Zustimmung wieder brauchen", drohte er. Im nächsten Jahr sei es so weit, "dass diese Koalition beendet werden kann", und dazu werde er "beitragen". So bescheiden war Steinbrück selten.

"Wir sind uns weitgehend einig in diesem Haus", eröffnete Merkel ihre Rede und beschrieb die "schwierige europäische, internationale Lage". Wenige Sekunden stand die Kanzlerin am Rednerpult, als sie die Große Koalition rühmte, die doch - etwas Geschichtsklitterung muss sein - erst begonnen habe, die Probleme zu lösen. Sie rühmte die gute Lage Deutschlands, die vor allem Arbeitnehmern und Unternehmern zu verdanken sei. Nach dem großen Gemälde ging Merkel zu Kleinteiligkeit und kleinem Partner über, sprach über die Abschaffung der Praxisgebühr und die Liberalen.

"Sagen Sie einfach mal Danke an die FDP, dass sie das ermöglich hat", rief sie der Opposition zu. Philipp Rösler und Guido Westerwelle strahlten nach diesem Fleißkärtchen, wie man sie lange nicht mehr hat strahlen sehen. Merkel rühmte die "Allianz für Demenz", geißelte das Hin und Her der SPD bei der Rente mit 67. "Wir sind die beste Regierung seit der Wiedervereinigung", rief Merkel zur Freude bei Union und FDP. Warum es gerecht sei, Renten- und Arbeitslosenbeitrag und Steuern zu erhöhen, fragte sie die Opposition rhetorisch. Merkel dankte "herzlich dem Bundesfinanzminister". Schäuble war am Morgen aus Brüssel heimgekehrt, hatte dann alle Fraktionen über das Treffen der EU-Finanzminister und des IWF zu Griechenland informiert.

Auf Merkels Lob applaudierte die Koalition, Gabriel eröffnete den Beifall bei der SPD, in den die "Troika" einstieg. Kurz darauf würdigte Merkel die Nahost-Bemühungen Westerwelles, und gewann das Plenum für einen weiteren breiten Beifall. "Zu einem Waffenstillstand gibt es keine Alternative." Wieder musste die SPD applaudieren. Besser hätte Merkel Steinbrücks Analyse ihres präsidialen Stils nicht bestätigen können. Merkel weiß, dass die Deutschen derlei Konsens schätzen, und am Ende ihrer Rede geriet der Applaus von Union und FDP so anhaltend, dass Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) anmerkte: "Ich glaube, jetzt ist gut."