Prognose: Nur ein Prozent mehr Rente in den alten Bundesländern, obwohl Rentenkasse voll ist. Einheitliches Rentenrecht gefordert.

Würzburg. Bei der Rentenerhöhung zum nächsten Juli wird Deutschland zweigeteilt: Vier Millionen Rentner im Osten werden voraussichtlich drei Prozent mehr Geld bekommen, 16 Millionen Ruheständler im Westen müssen sich kurz vor der Bundestagswahl mit einem Prozent plus begnügen. Das geht aus Vorausberechnungen der Deutschen Rentenversicherung hervor, die gestern in Würzburg vorgestellt wurden. Über 20 Jahre nach der Einheit gibt es noch kein einheitliches Rentenrecht, das sich die schwarz-gelbe Bundesregierung eigentlich zur Aufgabe für diese Legislaturperiode gemacht hatte.

Der Grund für den extremen Unterschied liegt vor allem darin, dass die West-Rentner noch für die Rentengarantie im Bundestagswahljahr 2009 aufkommen müssen. Damals hatte die Große Koalition erklärt, dass die Renten auch in der Finanzkrise nicht sinken dürfen - und hatte die hochkomplexe Rentenformel umgeschrieben. Deshalb muss jetzt jedes Jahr von einer geplanten Erhöhung etwas Geld einbehalten werden, um das Versprechen von einst zu finanzieren. Dies ging im Osten, wo sich die Löhne zuletzt besser entwickelt haben als erwartet, schneller als im Westen. "Wir brauchen endlich ein einheitliches Rentenrecht", forderte Annelie Buntenbach, Vorstand im Deutschen Gewerkschaftsbund und zurzeit Vorstandsvorsitzende der Deutschen Rentenversicherung. Sie sprach sich dafür aus, den "Nachholfaktor" im Westen auszusetzen. Das brächte wenigstens 0,7 Prozentpunkte mehr bei der Rentenerhöhung.

Der Sozialverband VdK forderte, alle Faktoren in der Rentenformel zu streichen, die die Rentenanhebung verringerten. "Wenn die Löhne und Gehälter um über drei Prozent steigen, dann müssen auch die Renten in ganz Deutschland um über drei Prozent steigen", sagte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher. Der Präsident der Deutschen Rentenversicherung, Herbert Rische, sagte: "Wir können den Leuten die Wohltaten der Rentenformel gar nicht mehr klarmachen."

Tatsächlich ist die Rentenkasse übervoll, die Beschäftigten und Unternehmen sorgen für anhaltend hohe Beiträge, die Löhne steigen. Nach vorläufigen Zahlen ist das durchschnittliche Brutto-Monatseinkommen, das den Rentenrechnungen zugrunde liegt, von 2011 auf 2012 um 180 Euro auf 2703 Euro gestiegen. Solche Sprünge gab es seit Jahren nicht. In diesem Jahr stiegen die Renten noch vergleichsweise üppig: um 2,26 Prozent im Osten und 2,18 im Westen. Doch in Zukunft könnte bei den Rentnern weniger ankommen. Weil es immer mehr Ruheständler und weniger Arbeitnehmer geben wird, steigt die Rente derzeit nicht so, wie sie könnte. Stattdessen werden Rücklagen gebildet. Zudem wurde die schrittweise Einführung der Rente mit 67 beschlossen.

Dass es auch anders ginge, rechnete DGB-Expertin Buntenbach vor. Sie sagte, man könne wegen der exzellenten Kassenlage sogar die Rente mit 67 aussetzen. Allerdings würden die Beiträge dann nicht wie geplant von derzeit 19,6 Prozent vom Monatsbrutto auf 18,9 im kommenden Jahr sinken. Vielmehr stiegen sie auf 22 Prozent bis 2030. Dies lehnen die Arbeitgeber ab.