Hamburg schneidet in neuer Studie zu Rechtsextremismus besser ab als ländliche Regionen. Situation in Ostdeutschland beunruhigt Forscher.

Hamburg. Der Name der Studie ist entscheidend. "Die Mitte im Umbruch". Es geht in ihr nicht um den viel beschworenen "Rand der Gesellschaft", es geht nicht um einen Haufen Extremisten in strukturschwachen ostdeutschen Dörfern. Das wichtigste Ergebnis der gestern in Berlin vorgestellten Studie lautet: Rechtsextremes Gedankengut ist weit verbreitet. Knapp 54 Prozent der Ostdeutschen glauben laut der Untersuchung, Ausländer kämen nur nach Deutschland, um den Sozialstaat auszunutzen. In Westdeutschland waren es 31,4 Prozent. Fast 44 Prozent der Ostdeutschen und nahezu 36 Prozent der Westdeutschen sehen überdies Deutschland als "in gefährlichem Maße überfremdet" an.

"Das sind besorgniserregende Befunde", sagte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) dem Hamburger Abendblatt. "Sie zeigen, dass das Kampf gegen rechtsextremes Gedankengut ebenso wichtig wie der Kampf gegen rechtsextreme Organisationen." Das gelte nicht nur in Ostdeutschland, sondern in der gesamten Bundesrepublik.

Für die alle zwei Jahre von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung erscheinende Studie wurden im Sommer 2012 mehr als 2500 repräsentativ ausgewählte Menschen befragt. Rechtsextreme Einstellungen nehmen demnach in Deutschland zu. Neun Prozent aller Deutschen haben ein "geschlossenes rechtsextremes Weltbild", heißt es. Ausländerfeindlichkeit ist mit mehr als einem Viertel die am weitesten verbreitete rechtsextreme Einstellung, heben die Wissenschaftler hervor. Knapp 23 Prozent der Ost- und 16,5 Prozent der Westdeutschen sagen zudem, die Deutschen seien eigentlich "von Natur aus anderen Völkern" überlegen.

Trotz der bundesweiten Trends beunruhigt die Forscher vor allem die Situation in Ostdeutschland. Sie stellen fest, dass dort "eine neue Generation von Rechtsextremisten" entstanden ist. Anders als bei früheren Befragungen stimmen 14 bis 30 Jahre alte Menschen einer rechtsautoritären Diktatur, einem Sozialdarwinismus oder einer Verharmlosung des Nationalsozialismus eher zu als Befragte über 60 Jahre.

Die Forscher sehen vor allem die hohe Jugendarbeitslosigkeit als eine wichtige Ursache für rechtsextreme Einstellungen, aber auch ein in der jungen Generation weit verbreitetes Gefühl, nicht gebraucht zu werden. Befragte ohne Abitur zeigten mehr als doppelt so häufig Sympathien für autoritäre Führer, Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit wie Befragte, die mindestens das Abitur haben. "Das zeigt, dass Rechtsextremismus bei Menschen mit schwacher Bildung und sozialer Isolation auf besonders fruchtbaren Boden trifft", sagte Oliver Decker von der Universität Leipzig, einer der Autoren der Studie, dem Abendblatt.

Stadtstaaten wie Hamburg schneiden grundsätzlich besser ab als weniger industrialisierte Flächen-Bundesländer, sagt Decker. Auf dem Land verstärke die Abwanderung gut gebildeter Bewohner eine menschenfeindliche Einstellung. Andererseits zeige sich in Städten wie Hamburg, dass der Kontakt mit ausländischen Mitbürgern oder anderen Lebenswelten nicht zu mehr Fremdenfeindlichkeit führe - sondern zu mehr Verständnis und Toleranz.

Dennoch sei Deutschland weit entfernt von einer toleranten Mehrheitsgesellschaft - auch im Westen. Jeder elfte Deutsche hat laut der Studie mindestens unterschwellig antisemitische Einstellungen. Allerdings findet sich zum ersten Mal auch der Antisemitismus häufiger im Osten als im Westen. Deutlich zugenommen habe der Rassismus gegenüber Muslimen. Die Ablehnung werde dabei mit einer religiösen und kulturellen Rückständigkeit begründet - nicht mehr mit Fantasien über biologische "Minderwertigkeit".

Als positiv bewerteten die Forscher, dass knapp 95 Prozent der Deutschen mit der Demokratie als Staatsform zufrieden sind.