Spitzentreffen auf Einladung der „Zeit” im Hamburger Michel. Europas Entwicklung wird teils skeptisch, teils zuversichtlich gesehen.

Hamburg. Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt hält in den nächsten Jahren tiefgreifende politische und wirtschaftliche Veränderungen für denkbar. „Wir stehen vielleicht vor einer Revolution in Europa“, sagte Schmidt am Donnerstag beim Wirtschaftsforum der Wochenzeitung „Die Zeit“ in Hamburg. Er spüre, dass in ganz Europa das Vertrauen in die europäischen Institutionen abgenommen habe. Auch in China und den USA sei die Situation von Unsicherheiten geprägt. Auf der anderen Seite sei es auch möglich, dass Europa die aktuelle Krise überwinde und in drei bis vier Jahren wie Phoenix aus der Asche komme – „wenn wir die richtigen Schritte gehen“. Es komme darauf an, die europäischen Institutionen und den Rechtsrahmen zügig zu reformieren.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wies auf die weltpolitischen Veränderungen und die Bedeutung des Euro in der globalisierten Wirtschaft hin. „Wenn wir keine europäische Währung hätten, dann müssten wir sie erfinden“, sagte er. Europa sei nach wie vor die größte Wirtschaftsregion der Welt und der Euro eine weltweit wichtige Währung. „Natürlich setzt der Euro alle beteiligten Nationen unter Wettbewerbsdruck“, sagte der Finanzminister. Das sei aber auch so gewollt, um Europa insgesamt wettbewerbsfähig zu halten.

Es zeichne sich ab, dass die Lohnstückkosten in anderen europäischen Ländern, die in der Vergangenheit weit stärker gestiegen sind als in Deutschland, sich nun wieder annähern. „Die anderen Länder müssen besser werden“, forderte Schäuble. Es wäre nicht der richtige Weg, auf Produktivitätsfortschritte und Exporterfolge in Deutschland zu verzichten. Die Wachstumsdynamik in Europa sei ohnehin begrenzt und werde geringer ausfallen als in früheren Jahren oder in anderen Weltregionen. „Gesellschaften können schnell in Panik geraten, wenn sie keine Zukunftsperspektiven sehen“, warnte Schäuble.

Zuvor hatte Schäuble deutlich gemacht, dass er keine rasche Entscheidung über die Freigabe weiterer Finanzhilfen für das pleitebedrohte Griechenland erwartet. „Ich fürchte, dass wir in der kommenden Woche noch keine Entscheidung zu Griechenland treffen können“, sagte Schäuble. Gründe dafür nannte er nicht.

„Wir sind in Griechenland noch nicht über den Berg“, so Schäuble. Es wäre zu früh, Entwarnung zu geben. Schäuble hatte bereits am Vortag nach Angaben von Teilnehmern im Bundestags-Haushaltsausschuss zu erkennen gegeben, er rechne nicht mit einer Sondersitzung des Bundestags zu Griechenland schon kommende Woche. Ohne grünes Licht des Parlaments darf sich die Bundesregierung nicht an weiteren Hilfen beteiligen.

Brüssel sieht das ander:s „Wir hoffen auf eine politische Entscheidung am Montag“, betonte ein Sprecher von Währungskommissar Olli Rehn. Denn dann sollen zwei große Hürden genommen sein. Am Mittwoch hatte das Parlament in Athen nach hartem Ringen einem Paket von Strukturreformen zugestimmt, die 13,5 Milliarden Euro einsparen könnten. Und am Sonntag wird mit der Zustimmung der Abgeordneten für den Haushalt 2013 gerechnet. Beide Beschlüsse seien „entscheidend“, um den Weg zum grünen Licht der Eurogruppe zu ebnen, so Rehns Sprecher.

Doch müssen noch zwei weitere Hürden genommen werden. Die Troika aus Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) hat noch immer keine Schuldentragfähigkeitsanalyse vorgelegt. Außerdem ist weiter offen, wie die Finanzierungslücke von mehr als 15 Milliarden Euro geschlossen werden soll, die durch einen Aufschub der Sparziele und durch den verschärften Konjunktureinbruch in Griechenland entstanden ist. Die Troika arbeite mit Hochdruck mit der Regierung in Athen an der Lösung, hieß es in Brüssel, erwartet werde eine Einigung „in den kommenden Tagen“.

Ohne einen Beschluss der Eurogruppe wird es eng für die Griechen - nach Angaben des Finanzministeriums droht sonst Mitte des Monats die Zahlungsunfähigkeit. Selbst wenn Schäuble und seine Kollegen am Montag eine politische Einigung erzielen, wird der Geldhahn noch lange nicht aufgedreht. Denn die erwartete Änderung des Hilfsprogramms muss vom Bundestag und anderen Parlamenten abgesegnet werden – erst dann kann der formelle Beschluss fallen.

Zum Auftakt der Konferenz im Hamburger Michel hatte Jürgen Fitschen, Co-Chef der Deutschen Bank, seine Branche verteidigt. „Die Banken haben erhebliche Schuld auf sich geladen, aber allein hätten sie die Krise nicht bewirken können“, sagte er. Kernproblem sei die wachsende Verschuldung weltweit, die sich in den vergangenen Jahrzehnten verdreifacht habe. Die Schulden hätten sich zudem vom privaten auf den öffentlichen Sektor verlagert. Die Deutsche Bank will sich auf langfristige Ziele konzentrieren und so gesellschaftliches Vertrauen zurückgewinnen. Kurzfristige Gewinnoptimierung ergebe wirtschaftlich keinen Sinn, weil sie langfristig der Bank schade, sagte Fitschen. Er sprach sich erneut dagegen aus, Investmentbanking und Kundengeschäft zu trennen