Regierungsberater Gallois will 30 Milliarden Euro bei Sozialabgaben einsparen

Paris. In Frankreich soll eine regierungsintern umstrittene Schocktherapie das ins Hintertreffen geratene Land wieder fit für den Wettbewerb machen. "Ich schlage 22 Maßnahmen vor, um die Rutschpartie zu stoppen", sagte der frühere Luftfahrtmanager und Ex-Bahnchef Louis Gallois gestern nach der Übergabe seines Reformpapiers an Ministerpräsident Jean-Marc Ayrault. Es sei ein "Wettbewerbsschock" nötig, um die verlorene Industriebasis wieder aufzubauen. Der Regierungsberater will über einen Zeitraum von bis zu drei Jahren Arbeitgeber und Arbeitnehmer um insgesamt 30 Milliarden Euro an Sozialabgaben entlasten. Finanziert werden soll das durch Ausgabenkürzungen, höhere Mehrwertsteuern, Öko-Steuern auf Dieselkraftstoff und höhere Steuern auf Mieteinnahmen.

Gallois, ehemaliger Chef des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS, schlägt laut der Zeitung "Les Echos" weiter vor, vor allem kleine und mittlere Unternehmen besonders zu unterstützen. Daneben setzt Gallois auf duale Ausbildungsplätze in Betrieb und Berufsschule wie in Deutschland, die in den nächsten fünf Jahren verdoppelt werden sollen. Außerdem soll die Regierung prüfen, ob in Frankreich Schiefergas abgebaut werden kann. Die mit den Sozialisten regierenden Grünen lehnen den umweltbelastenden Abbau des Gases ab, mit dem Gasimporte verringert werden könnten.

Die Industrie klagt darüber, weltweit mit die höchsten Arbeitskosten schultern zu müssen. Der Abbau von Industriearbeitsplätzen hat in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone dramatische Ausmaße angenommen. Die Wachstumskräfte in Frankreich lahmen bereits seit drei Quartalen, und die Arbeitslosigkeit ist so hoch wie seit 13 Jahren nicht mehr.

In der unter hohem Spardruck stehenden Regierung des sozialistischen Präsidenten François Hollande stoßen die Vorschläge jedoch auf Vorbehalte. Sie sollen heute offiziell im Kabinett vorgestellt und diskutiert werden. Solche Reformen überforderten das Land in der jetzigen Lage, hieß es in Pariser Regierungskreisen: "Wir können nicht die Finanzen in Ordnung bringen und gleichzeitig einen Wettbewerbsschock verabreichen." Hollande hatte bereits Pläne seines konservativen Vorgängers Nicolas Sarkozy gestoppt, die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Aus dem Umfeld des Staatschefs verlautete, eine Umverteilung von Steuerlasten auf die Schultern der Verbraucher komme für ihn nicht infrage. Der Minister für Soziale Ökonomie, Benoit Hamon, hatte kürzlich unmissverständlich klargestellt, dass Gallois nicht mit am Kabinettstisch sitzt: "Es ist die Aufgabe der Regierung zu regieren."

Hollande, der das Haushaltsdefizit im kommenden Jahr auf das Maastricht-Kriterium von drei Prozent der Wirtschaftsleistung eindampfen muss, hat seine Pläne bislang nicht konkretisiert und lediglich einen "Pakt für Wettbewerbsfähigkeit" in Aussicht gestellt. Wie eine solche Light-Version der Reformen aussehen könnte, hatte jüngst Mittelstandsministerin Fleur Pellerin umrissen. Demnach sollen gezielt gewisse Branchen bei den Arbeitskosten entlastet werden, die besonders stark dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind.