Verteidigungsminister de Maizière: “Wir könnten den Afrikanern helfen.“ Außenminister Westerwelle will Islamisten in der Region isolieren

Berlin. Der Bundeswehr könnte neben ihren Einsätzen in Afghanistan auf dem Balkan oder zur Piratenbekämpfung vor Somalia bald eine neue Mission bevorstehen: Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) will die Beteiligung an einer möglichen internationalen Mission nicht ausschließen. Die Lage in dem krisengeschüttelten Land sei "schlimm", sagte de Maizière der "Süddeutschen Zeitung". Im Norden Malis regiere "eine Mischung aus Steinzeit-Islamisten, Terroristen und Tuareg. International besteht der feste Wille, deren Herrschaft zu beenden." Dies müsse Afrika selbst in die Hand nehmen - "aber wir könnten den Afrikanern helfen". Er betonte jedoch: "Das steht noch nicht fest."

Derzeit laufen Beratungen innerhalb der EU über einen Militäreinsatz. Auch der Uno-Sicherheitsrat ist mit der Frage befasst. Der Verteidigungsminister sagte zu einem möglichen Beitrag: "Es ginge nicht um einen Einsatz zur Rückeroberung des Nordens durch nicht afrikanische Truppen. Unsere Aufgabe könnte vielmehr sein, die malischen Streitkräfte auszubilden."

Der Norden Malis wird derzeit von extremistischen Gruppen und Ablegern des Terrornetzwerks al-Qaida kontrolliert. Hinzu kommt ein Konflikt zwischen der Regierung in Bamako und Tuareg-Rebellen. Letztere kämpfen für einen unabhängigen Staat in Nordmali.

"Wir werden nicht mit al-Qaida verhandeln, weil das Kräfte sind jenseits jeden vernünftigen Anspruchs." Unterhalb dieser Schwelle sei aber in und für Mali vieles denkbar, sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) am Wochenende nach vier Tagen Gesprächen in Westafrika. Sein Eindruck: Um die Terroristen und Extremisten aus dem Norden von Mali zu vertreiben, müsse es eine "Zwei-Wege-Strategie" von militärischem Druck und wirtschaftlicher Hilfe geben. Ein "balanciertes Vorgehen" nannte das Westerwelle nach seinen Besuchen in Senegal, Mali und Nigeria.

Zu einem "balancierten Dialogprozess" gehört auch eine militärische Drohkulisse. Nur kann die malische Armee mit den geschätzten 6000 bis 7000 Mann den Norden des Landes nicht wieder unter Kontrolle bringen. Zumal Skeptiker eher von 2000 einsatzfähigen Soldaten reden, was in etwa der Größenordnung der terroristischen Gruppierungen im Norden entspricht. Daher planen die westafrikanischen Staaten der Ecowas Truppenhilfe für Mali in einem erheblichen Umfang. In den kommenden Tagen sollen dazu die Planungen anlaufen. Nigeria hat sich schon bereit erklärt, die Führung der Interventionsstreitkräfte zu übernehmen.

Jedoch will Mali das Heft des Handelns - zumindest offiziell - in der Hand behalten. Die Rückeroberung des Nordens, soweit es militärisch notwendig ist, soll unter malischer Führung geschehen. Deshalb plant die Europäische Union eine Ausbildungs- und Beratermission mit etwa 200 Mann, darunter auch Soldaten der Bundeswehr. Einen Kampfeinsatz deutscher Soldaten soll es nach bisherigen offiziellen Verlautbarungen auf keinen Fall geben. Da sind sich de Maizière und Westerwelle einig. Kritiker halten dem aber entgegen, dass auch Ausbilder geschützt werden müssen oder in der Lage sein sollten, sich selbst zu verteidigen. Eine Eskalation ist dann nicht ausgeschlossen.

Um die komplexe Lage in der Region zu verstehen, hat Westerwelle in Mali auch mit ranghohen Vertretern der Tuareg gesprochen, die nicht nur in dem westafrikanischen Land, sondern in Algerien, im benachbarten Niger und sogar in Libyen ähnlich den Kurden über mehrere Länder verstreut leben. "Sie haben die Rebellion der Tuareg nicht verstanden", musste sich der Außenminister anhören. Dem Berbervolk gehe es nicht um eine Abspaltung von Mali, sondern um Autonomie und Anerkenntnis der eigenen Lebensweise. In der Vergangenheit seien die Nomaden immer wieder an den Rand gedrängt und gesellschaftlich marginalisiert worden. Das sollte geändert werden.

Allerdings hat die Tuareg-Rebellion zu Jahresbeginn nicht lange gedauert. Zwar wurde im April die Unabhängigkeit des als Asawad bekannten Nordens Malis erklärt, doch haben sich wenig später Extremistengruppen der staatlich verwaisten Gebiete in der Größe Frankreichs bemächtigt. Da vor allem drei dem Terrornetzwerk al-Qaida nahestehende Gruppierungen die Macht an sich gerissen haben, wächst die Angst vor der Errichtung eines sicheren Rückzugsgebiets für ausländische Terroristen.

Immer wieder hörte Westerwelle, dass es nicht Malier sind, nicht Tuareg, die den Norden des Landes unsicher machen. "Das sind alles Ausländer", sagten Stammesvertreter, die durchaus zum Dialog mit Bamako bereit sind. Inzwischen will auch die malische Extremistengruppe Ansar Dine, die das als Stadt der 333 Heiligen bekannte Timbuktu beherrscht, mit der Zentralregierung reden. Die Rebellenfront in Nordmali beginnt zu bröckeln.

Genau diese Kerbe will Westerwelle nun vertiefen, um die Terrorgruppe al-Qaida für einen islamischen Maghreb (AQIM) sowie die sogenannte Bewegung für die Einheit und den Dschihad in Westafrika (MUJAO) zu isolieren. "Geld gegen Fortschritt" könnte man die Marschrichtung beschreiben, die der Außenminister der Bundesregierung vorschlagen will. Mit deutschen Finanz- und Wirtschaftshilfen könnten jene Kräfte belohnt werden, die den politischen Dialog suchen. Jeder Schritt in diese Richtung solle sich im wahrsten Sinne des Wortes für die Tuareg sowie für die malische Regierung in Bamako bezahlt machen.

Parallel dazu will Deutschland mehr als nur Schecks ausschreiben, Berlin erwägt vielmehr eine deutlich stärker herausgehobene Rolle im Dialogprozess. Es wäre wohl verfrüht, von einer Vermittlerrolle zu sprechen, aber die logistische Infrastruktur für einen nationalen Dialog kann Deutschland schaffen. Schließlich gilt die Bundesrepublik anders als die früheren Kolonialmächte wie Frankreich und Großbritannien als "interessenlos". Das einzige Interesse liege in der "Stabilität von Mali", erklärte der deutsche Spitzendiplomat.