Bund und Länder einigen sich bei der Energiewende im Prinzip auf gemeinsames Vorgehen und wollen ihre Pläne besser abstimmen.

Berlin. Die klaren Sätze fielen erst nach langer Vorrede oder auf Nachfrage, als wollten die Politiker, die nach dem Energiegipfel im Bundeskanzleramt auf dem Podium vor der Presse saßen, bloß nichts sagen, auf das man sie festnageln kann. Am Ende aber nahmen sie ihren Mut zusammen: "Die Bürger in Deutschland können wissen, dass wir uns gemeinsam dem Ziel der Energiewende verpflichtet fühlen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem Spitzengespräch mit den Ministerpräsidenten der Länder sowie Vertretern des Bundeskabinetts. "Und ich habe jedenfalls heute den Geist gespürt, dass wir das auch schaffen wollen und vielleicht auch schaffen können."

Ähnliches war von Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) zu hören. Die erschrak gar vor dem Pathos ihrer Sätze, sodass ihr die Röte ins Gesicht stieg: "Die Einigkeit von 16 Ländern ist auf eine Einigkeit des Bundes gestoßen, und das ergibt eine Gesamteinigkeit für Deutschland." Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sagte: "Besonders wichtig ist, dass jetzt alle Beteiligten den Ausbau der Offshore-Windkraft als unverzichtbar ansehen." Damit sei die Grundlage geschaffen, "um den Konflikt zwischen den norddeutschen und süddeutschen Ländern zu beenden". Torsten Albig (SPD), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein schließlich, sprach gar das Unerhörte aus: "Die Länder wollen gegebenenfalls ihre eigenen Ziele modifizieren."

Der Energiegipfel ist wie schon der Vorgänger im Mai ohne konkrete Ergebnisse geblieben. Aber über den Verlauf von Stromtrassen, die Lage von neuen Gaskraftwerken oder die Zahl der Windräder sollte auch nicht gesprochen werden. Bund und Länder haben vielmehr deutlich gemacht, dass die Kleinstaaterei in der Energiewende bald der Vergangenheit angehören soll. Die Länder haben erklärt, dass sie eine Abstimmung untereinander wollen und sich an einer nationalen Ausbaustrategie beteiligen werden. Gemeinsame Entscheidungen sollen also in Zukunft einsame ersetzen. Danach hatte es bis vor Kurzem noch nicht ausgesehen.

Auch Signale dieser Art gab es erst seit einem gemeinsamen Beschluss der Regierungschefs zur Energiewende, den sie vor einer Woche im thüringischen Ettersburg verabschiedet hatten. Den Vertretern des Bundes ging es nun in Berlin darum, die Regierungschefs nicht mehr aus ihrer selbst auferlegten Verantwortung entlassen. Dafür machte sich Angela Merkel die Beschlüsse der Länder einfach zu eigen. Der Schlüsselsatz von Ettersburg lautet: "Die Länder sind bereit, im Interesse einer gemeinsamen Lösung ihre eigenen Planungen zu modifizieren." Das klang in der Tat nach einem Paradigmenwechsel. Denn die bisherigen 16 Energiekonzepte sind nicht aufeinander abgestimmt. Während etwa Schleswig-Holstein den eigenen Strombedarf für den Export um 300 Prozent übertreffen will, sehen die Pläne der Länder im Süden nicht vor, diesen Küsten-Strom auch in großen Mengen abzunehmen.

Das eine Woche alte Dokument enthält auch eine Protokollnotiz Bayerns, das eine gewisse Doppelzüngigkeit offenbart und zeigt, dass die neu gefundene Einigkeit erst den Praxistest bestehen muss. Bayern merkte an, dass es "keine Grundlage für eine Modifizierung der Ausbauziele der Länder sieht, solange das geltende Recht jedem Betreiber einer Erneuerbare-Energie-Anlage einen Anspruch auf Netzanschluss, vorrangige Einspeisung und Vergütung verleiht". Das bedeutet: Solange das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) nicht überarbeitet worden ist, ändert sich am eigenen Konzept nichts. Und dieses Konzept sieht ja die Energie-Autarkie Bayerns vor.

Dass das EEG reformiert werden muss, darin sind sich inzwischen aber längst alle einig. Das Wie steht infrage. Dabei wollen Bund und Länder offensichtlich doch nicht über eine Deckelung beim Ausbau der Erneuerbaren reden, sondern "systemisch" an die Sache herangehen. "Es geht darum, eine Systemintegration zu gewährleisten, sodass das ganze System funktioniert", sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Von einer Deckelung des Ökostrom-Ausbaus sei keine Rede gewesen.

Herauskommen soll nach den Worten von Lieberknecht ein "Energiemix". Auf diesen Mix wird es ankommen, ob er die Bedürfnisse der 16 erfüllen kann, sodass sie von ihren alten Zielen abrücken. Da müssen dann wohl Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt die Garantie bekommen, dass die Braunkohle noch eine Zukunft hat, Baden-Württemberg, dass es den Onshore-Wind ausbauen kann, Niedersachsen und Schleswig-Holstein den Offshore-Wind. Bayern könnte dabei seine im eigenen Energiekonzept vorgesehenen neuen Gaskraftwerke bekommen. Denn ohne konventionelle Kraftwerke, die zum Einsatz kommen, wenn der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint, wird die Energiewende nicht gelingen. Ohne diese Reserve-Kraftwerke ist die Gefahr von Blackouts im Süden des Landes, wo die meisten Abnehmer sind, kaum zu beherrschen. Die Zeit drängt, spätestens ab 2018 wird der Süden auf so viel Atomstrom verzichten müssen, dass die Versorgungssicherheit Winter nicht mehr gesichert ist.