Widerspruch aus Ländern. NPD-Verbotsverfahren weiter in der Schwebe

Berlin. In Teilen Ostdeutschlands ist der Rechtsextremismus nach Einschätzung von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) besonders ausgeprägt. "Mich treibt schon um, dass in einigen Landstrichen Ostdeutschlands Neonazis auftrumpfen und zivilgesellschaftliches Leben bewusst für ihre Zwecke unterwandern. Das dürfen wir nicht zulassen", sagte der CSU-Politiker dem Berliner "Tagesspiegel am Sonntag".

Friedrich verwies darauf, dass Ausländerfeindlichkeit auch ein Hindernis auf dem Weg zur ökonomischen Weiterentwicklung des Landes sei. "Allen muss klar sein, dass wir uns als exportorientiertes Land Ausländerfeindlichkeit überhaupt nicht leisten können. Wenn wir unsere Waren überall in der Welt verkaufen wollen, müssen wir uns auch gegenüber an unserem Land interessierten Menschen offen zeigen." Zudem mache sich gerade in Ostdeutschland der demografische Wandel besonders bemerkbar. Hier würden ausländische Fachkräfte benötigt.

Aus Thüringen und Sachsen kam prompt Widerspruch, was die Ost-Analyse angeht. Die Thüringer Linken-Abgeordnete Martina Renner sagte in Erfurt, offenkundig wisse Friedrich nicht, dass der Neonazismus in ganz Deutschland straffe Netzwerke gebildet und in allen gesellschaftlichen Bereichen Fuß gefasst habe. Renner, die Mitglied im Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss ist, verwies speziell auf das Versagen aller Verfassungsschutzämter und einer Vielzahl weiterer Sicherheitsbehörden sowohl im Bund als auch in den Ländern im Fall der Zwickauer Terrorzelle. Ähnlich äußerten sich die sächsischen Grünen. Landesvorstandssprecher Volkmar Zschocke sagte: "Der Bundesinnenminister müsste doch eigentlich wissen, dass es sich beim Rechtsextremismus um ein gesamtdeutsches Problem handelt und nicht um ein ostdeutsches."

Unterdessen ist Innenminister Friedrich weiter skeptisch, was ein mögliches neues NPD-Verbotsverfahren betrifft. "Die NPD ist eine totalitäre, verfassungsfeindliche Partei, die mit unserer Demokratie null Komma null zu tun hat. Aber die Gesinnung einer Partei reicht eben nicht aus, um sie zu verbieten." Die Innenressortchefs von Bund und Ländern hatten sich Ende vergangenen Jahres darauf verständigt, zunächst eine Materialsammlung anzulegen mit Belegen für die Verfassungsfeindlichkeit der Partei. Diese Materialien liegen nun vor, sind aber noch nicht ausgewertet. Friedrich: "Die Belege verdeutlichen den ideologischen Abgrund der NPD. Ich kann aber heute noch nicht sagen, ob dies am Ende für ein Verbotsverfahren ausreichen wird."

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann kritisierte, Friedrich wisse offenbar schon vor Auswertung der Beweise, dass diese nicht für ein NPD-Verbot ausreichten. "In Wahrheit wollte Friedrich das NPD-Verbot nie." Er habe das Verfahren nur halbherzig betrieben. Oppermann mahnte: "Wir können fast ein Jahr nach Entdeckung der NSU nicht einfach zur Tagesordnung übergehen."