Der Bürgermeister des Berliner Problembezirks Neukölln widmet sich in einem Buch den Themen Integration und soziale Missstände.

Berlin. Der Bürgermeister des Berliner Stadtbezirks Neukölln, Heinz Buschkowsky (SPD) wendet sich gegen islamische Kopftücher im öffentlichen Dienst. Im Neuköllner Rathaus gebe es keine Mitarbeiterin mit Kopftuch, sagte Buschkowsky der „Bild“-Zeitung. „Davon abgesehen finde ich, dass in öffentlichen Einrichtungen solche Symbole nichts zu suchen haben. Der Staat hat neutral zu sein“, sagte er.

Buschkowsky sprach sich erneut für eine bundesweite Kindergartenpflicht ab dem 13. Lebensmonat aus. Schulen sollten seiner Ansicht nach komplett auf Ganztagsschulbetrieb inklusive kostenlosem Mittagessen umgestellt werden. Auch der Besuch von Kindertagesstätten solle kostenlos sein.

Buschkowskys Buch „Neukölln ist überall“ kommt am Freitag in den Handel. Darin schont er seine Heimat nicht. Er selber wuchs in einer Kellerwohnung neben der Waschküche des Eigentümers auf. Nun zeichnet er auf knapp 400 Seiten die Probleme des Bezirks im Südosten Berlins mit seinen 315.000 Einwohnern auf.

„Dort, wo an der roten Ampel möglichst alle stur geradeaus schauen, um nicht von den Streetfightern aus dem Wagen nebenan angepöbelt zu werden: „Hast Du Problem? Könn' wir gleich lösen!“ Wo junge Frauen gefragt werden, ob sie einen Befruchtungsvorgang wünschen. Wo kleineren Kindern von größeren Jugendlichen eine Benutzungsgebühr für das Klettergerüst abverlangt wird.“ Straßenszenen aus Berlins Problemkiez Neukölln. Heinz Buschkowsky ist bundesweit bekannt für klare Worte statt wolkiger Floskeln. Sein Blick gilt dabei ganz Deutschland: „Das Humankapital unseres Landes liegt nicht auf der Elbchaussee in Hamburg (...) oder am Starnberger See. Es liegt dort, wo viele Kinder sind. „Wir haben ein Handlungsdefizit.“

Buschkowsky konzentriert sich mit seiner Analyse auf die nördliche Hälfte Neuköllns. Hohe Arbeitslosigkeit und Bildungsprobleme bestimmen hier das Bild. Die Einwandererquote beträgt 52 Prozent. 6300 von 7200 Grundschülern haben eine nicht-deutsche Herkunftssprache, wie es die Bürokratie formuliert.

Wer drastische Beispiele für Kriminalität, Gewalt, gescheiterte Integration und Islamismus sucht, wird fündig: In der Sonnenallee werde häufig in zweiter und dritter Reihe geparkt, erklärt Buschkowsky. „Machen Sie jetzt nicht den Fehler, zu hupen oder auszusteigen. Sie könnten in eine unangenehme Situation geraten. Ein Problem, dass sie haben, könnte gleich „geklärt“ werden.“

Polizisten oder dem Ordnungsamt passiere das gleiche, heißt es ein paar Seiten weiter. „Kontrollen von nicht-angeleinten Kampfhunden oder ähnlichen „Nettigkeiten“ führen schon mal dazu, dass die Beamten bespuckt werden, dass man ihnen ein Messer an den Hals hält oder sie niederschlägt.“

Derart plakative Szenen vermitteln jedoch einen falschen Eindruck. Der weitaus größere Teil des Buches besteht aus sachlichen Beschreibungen, dem Kampf vieler einzelner Menschen gegen die Lethargie und aus Lösungsvorschlägen. Zwei Jahre nach dem umstrittenen Buch des Zahlenfetischisten Thilo Sarrazin geht Buschkowsky differenzierter, praxisnäher und mit mehr Gefühl und Hoffnung für die Menschen vor als der emotionsarme Parteifreund.

Wie kann es sein, dass junge Arbeitslose Autos in der 100.000-Euro-Klasse fahren, fragt Buschkowsky. Dass türkische Jungen schon in der Erziehung nur das Faustrecht spüren? Dass zum Ritus des Erwachsenwerdens in manchen Großfamilien ein Gefängnisaufenthalt gehört, der entsprechend gefeiert wird? Oder dass es in deutschen Gefängnissen kein Schweinefleisch mehr gibt, weil die Mehrzahl der Insassen das ablehnt?

Der langjährige Bürgermeister und SPD-Politiker kennt natürlich die Vorwürfe des Rassismus, die über ihn hereinbrechen werden. Im Vorwort schreibt er, es gehe niemals um „alle Einwanderer, alle Muslime, alle Hartz-IV-Empfänger und alle Jugendlichen“.

Natürlich gebe es unzählige Beispiele für eine gelungene Integration. Ihm gehe es jedoch um das Lösen der Probleme, betont Buschkowsky mehrfach. Wenn die Sicherheit an einer Kreuzung Sorge mache, „zähle ich ja auch die Unfälle“. Auf die Frage im „Zeit“-Interview, ob ihm der Islam nicht so recht ans Herz gewachsen sei, antwortet Buschkowsky nur: „Der Katholizismus auch nicht.“

Er schildert das Versagen vieler Berliner Politiker und Erfahrungen aus Rotterdam, London, Oslo oder Neapel. Und setzt sich gleichzeitig mit der von ihm verachteten „Political Correctness“ auseinander, die die Realität ignoriere. „Die Wahrheit tut weh und jeder möchte Schmerzen vermeiden.“

Buschkowskys Lösungsvorschläge sind bekannt, unterscheiden sich wenig von denen Sarrazins, werden aber selten konsequent umgesetzt: Kindergartenpflicht, Ganztagsschulen, klare Regeln auch für Einwanderer und Sanktionen schon bei kleinen Regelverstößen. Dazu eine klar strukturierte Einwanderungspolitik. Finanzielle Anreize zum Kinderkriegen sollten nicht nur auf die Unterschicht konzentriert werden. Andernfalls lasse sich die fortgeschrittene Spaltung der Gesellschaft nicht mehr aufhalten.

Mit Material von dapd und dpa