Der Paritätische Wohlfahrtsverband hält die Unterstützung für Kinder für zu niedrig und fordert eine Erhöhung.

Hamburg. Reichen 215 Euro im Monat, um ein Kind zu ernähren, es einzukleiden und in Würde großzuziehen? Das Bundesverfassungsgericht muss ab morgen eine Antwort auf diese Frage finden. Es soll die seit 2005 geltende Hartz-IV-Reform auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand stellen. Konkret geht es um den Regelsatz für Kinder. Für ein Kind, das jünger als sieben Jahre ist, bekommen Eltern, die Hartz IV beziehen, 215 Euro im Monat. Ist es zwischen sieben und 14 Jahre alt, werden 251 Euro gezahlt. Und für Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren erhalten sie 287 Euro. Ein alleinstehender Erwachsener bekommt hingegen monatlich 359 Euro.

Drei Familien aus Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hessen halten diese Regelung für willkürlich. Der eigentliche Bedarf eines Kindes könne damit nicht gedeckt werden. Sie klagten und bekamen recht. Neben dem Landessozialgericht Hessen entschied auch das Bundessozialgericht in Kassel, dass die Regelung gegen den im Grundgesetz festgeschriebenen Gleichheitsgrundsatz verstoße. Laut Bundessozialgericht sei es nicht ersichtlich, wie die Regierung den Bedarf der Kinder ermittelt habe. Offen ließ es allerdings die Frage, ob die Höhe der Leistungen ausreicht. Beide Gerichte legten die Verfahren dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor.

Dass nun das Verfassungsgericht die offenen Fragen klären soll, ist für die Familie Kerber-Schiel aus Dortmund ein Triumph. Sie ist eine der drei Familien, die gegen den Hartz-IV-Regelsatz für Kinder geklagt hatten. Vater Joachim arbeitet halbtags als Lagerarbeiter. Mutter Katrin ist gelernte Altenpflegerin, kümmert sich aber zurzeit um die drei Kinder im Alter von zwei, neun und zwölf Jahren. Nach Angaben ihres Anwalts Martin Reucher bekommen die Kerber-Schiels vom Staat genau 1363 Euro im Monat; die Miete wird zusätzlich bezahlt. Zählt man das hinzu, was der 57-jährige Vater als Lagerarbeiter behalten darf, stehen der fünfköpfigen Familie 1630 Euro zur Verfügung. Zu wenig, wie die Familie findet. "Die Kinder spüren das deutlich", sagt ihr Anwalt Reucher. Der neunjährige Sohn würde gern in den Fußballverein gehen. Doch 7,50 Euro im Monat seien zu teuer, klagte Vater Joachim im Magazin "Stern". Auch für Musikinstrumente oder Schwimmbad sei kein Geld da, ebenso wenig dafür, den ständig wachsenden Kindern drei Paar neue Schuhe im Jahr zu kaufen. Familie Kerber-Schiel steht mit ihrer Kritik nicht alleine da. Für Familienrichter Heinrich Schürmann stehen die Berechnungen der Hartz-IV-Sätze für Kinder "auf tönernen Füßen". "Die Bundesrichter werden wohl verlangen, dass der Bedarf von Kindern extra ermittelt werden muss", sagte das Vorstandsmitglied des Deutschen Familiengerichtstages dem "Focus".

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Irene Becker hält die Regelsätze für ungenügend. Kosten für Nachhilfe oder eintägige Klassenfahrten würden nicht berücksichtigt. Seit Juli würde zwar 8,33 Euro monatlich zusätzlich für Schulausgaben gezahlt. "Das reicht aber nicht", sagt Becker. Wachse zum Beispiel ein Kind besonders schnell, müssten in kurzer Zeit mehrere Hosen gekauft werden. Solch zusätzliche Ausgaben berücksichtigten die pauschalen Regelsätze nicht.

Die finanzielle Unterstützung für Kinder sei im Durchschnitt der verschiedenen Altersgruppen um rund 70 Euro zu niedrig, kritisiert auch Marion von zur Gathen vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Der Verband stellt darum konkrete Forderungen an die Regierung: Unter Sechsjährige sollten 276 Euro erhalten, Sechs- bis 14-Jährige 332 Euro und Jugendliche bis zum Alter von 18 Jahren 358 Euro. Dem Staat würden Kosten von rund zehn Milliarden Euro entstehen.