Der Verteidigungsminister hat gefordert, das Grundgesetz zu ändern. Aber Franz Josef Jungs Vorstoß trifft auf Widerstand.

Hamburg/Berlin. Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hat am Wochenende gefordert, das Grundgesetz zu ändern, um Geisel-Befreiungen durch die Bundeswehr zu ermöglichen. In anderen Parteien traf der Vorstoß des Ministers auf massiven Widerstand. "Wir sollten über eine Verfassungsänderung nachdenken, die der Bundeswehr den Zugriff dann ermöglicht, wenn die Polizei nicht handeln kann", sagte Jung der "Bild am Sonntag."

Im Fall des vor Somalia entführten Hamburger Frachters "Hansa Stavanger" habe sich die Lage verschärft, bis die Polizei einsatzfähig gewesen sei. Eine Änderung des Grundgesetzes soll nach den Worten Jungs sowohl Einsätze im Inland als auch im Ausland umfassen. Unterstützung kam vom Vorsitzenden der Unionsfraktion, Volker Kauder. "Jung hat völlig recht. Piratenbekämpfung und Geiselbefreiung müssen für Deutschland möglich sein", sagte der CDU-Politiker dem Hamburger Abendblatt. "Das kann nur die Bundeswehr, und deshalb muss das Grundgesetz geändert werden."

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) widersprach entschieden. "Natürlich darf die Bundeswehr im Rahmen der Operation ,Atalanta' vor dem Horn von Afrika Geiseln aus der Hand von Piraten befreien - dazu muss man das Grundgesetz nicht ändern", sagte sie dem Abendblatt. Zypries wandte sich auch gegen die Argumentation des Verteidigungsministers, die Bundeswehr solle dann einschreiten, wenn die Polizei nicht rasch genug vor Ort sein könne. Mit Blick auf die Bundeswehr-Eliteeinheit KSK und das Polizeikommando GSG 9 sagte Zypries: "Ich wüsste nicht, warum das KSK schneller vor Ort sein sollte als die GSG 9." Bei einer Geiselbefreiung müsste auch die Bundeswehr ihre Spezialkräfte einfliegen lassen.

Nach den Worten der Justizministerin ist eine raschere Befreiung des gekaperten deutschen Schiffes "Hansa Stavanger" auch "nicht am Grundgesetz gescheitert". Dass man sich bei einem Befreiungsversuch gegen einen Einsatz des KSK und für die GSG 9 entschieden habe, "hatte rein operative Gründe".

SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier warf Jung vor, er nutze die Entführung der mittlerweile freigelassenen "Hansa Stavanger" als Ablenkungsmanöver. FDP-Fraktionsvize Sabine Leutheusser-Schnarrenberger unterstellte Jung, das Drama um den Frachter im Wahlkampf nutzen zu wollen. "Die Frage, wer ist schneller wann und wo, kann kein Anlass für eine Verfassungsänderung sein", kritisierte sie. Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin nannte Jung einen "unbelehrbaren Wiederholungstäter". Die Union müsse endlich begreifen, dass es "keine verfassungsändernde Mehrheit dafür gibt, das Kriegsrecht im Innern einzuführen".