Müssen Deutschlands Arbeitnehmer bald 22 Prozent vom Monatsgehalt für die Rentner aufwenden? Wegen der Politik der Großen Koalition befürchten Experten das.

Berlin/Hamburg. Im Alter fehlt das Geld zum Leben. Wer arbeitet, bezahlt zu viel für die, die bereits im Ruhestand sind. Das sind die gängigsten Klischees, die gerade neue Nahrung bekommen. Denn: Die Rentenpanik geht mal wieder um. Die geplante Rentengarantie der Bundesregierung könnte einen Durchschnittsverdiener nach Experten-Einschätzung bis zu 240 Euro im Jahr kosten.

Der Mannheimer Rentenexperte Prof. Axel Börsch-Supan rechnet in der „Bild“-Zeitung vor, dass der Rentenbeitrag (derzeit 19,9 Prozent vom Monatsbrutto) wegen der Rentengarantie von Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) im kommenden Jahr drastisch erhöht werden muss. Er könnte auf bis zu 22,2 Prozent steigen. „Dies bedeutet eine deutliche Umverteilung von Jung nach Alt“, heißt es in der Stellungnahme des Experten für den Bundestag. Arbeits- und Rentenminister Scholz hatte garantiert, dass die Renten nicht gekürzt werden. Das müssten sie womöglich automatisch, wenn die Wirtschaftskrise dazu führt, dass die Löhne nach unten rauschen.

Und genau dieses Kürzungsverbot hat auch der Rentenexperte Prof. Bernd Raffelhüschen für die neoliberale Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft kritisiert. Nach seinem Gutachten wird der erneute Eingriff der Regierung in die Rentenformel Kosten in Höhe von 46 Milliarden Euro verursachen. Die Steuer- und Beitragszahler müssten durch drei Eingriffe in die Rentenformel insgesamt 73 Milliarden Euro schultern. Schon 2010 komme es deshalb zu einem höheren Beitragssatz von dann 20,2 statt 19,9 Prozent heute. Im Jahr 2011 steige der Satz auf 21,1 Prozent.

Demnach müsste ein Durchschnittsverdiener mit einem Jahreseinkommen von 30 000 Euro im nächsten Jahr rund 90 Euro zusätzlich zahlen. Ab 2011 stiege die Mehrbelastung auf 210 Euro.

Raffelhüschen nannte das Rentenkürzungsverbot „Unfug und zugleich eine eklatante Verletzung des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes“. Er kritisierte, dass die Rentner von Bruttolohnsteigerungen der Arbeitnehmer profitieren, nicht aber an der Wirtschaftskrise beteiligt werden sollen. Diese Politik gehe „zu Lasten unserer Kinder und Enkel“.

Diese Berechnungen sind jedoch reine Spekulation. Wie die Rentengarantie der Bundesregierung fußen sie auf Annahmen, die man schwerlich abschätzen kann. Denn niemand kennt die Auswirkungen der Finanzkrise auf den Arbeitsmarkt und die Lohnentwicklung. Tatsächlich ist die gesetzliche Rente in den vergangenen Jahren besonnen reformiert worden. Der Beitragssatz sollte eigentlich sogar gesenkt werden. Das wird die Krise jetzt vermutlich verhindern. Die Rentenkasse selbst ist noch gut gefüllt.

Nach einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP verfügen Frauen zwischen 65 und 70 Jahren in Deutschland im Durchschnitt über ein gesamtes Nettoeinkommen von 913 Euro, Männer gleichen Alters dagegen über ein Nettoeinkommen von 1631 Euro. Das hängt mit der unterschiedlichen Länge der Berufstätigkeit zusammen. Deshalb bleiben verheiratete Frauen, die aufgrund geringer Erwerbstätigkeit bereits während der aktiven Phase auf das Einkommen des Ehemanns angewiesen waren, auch im Alter auf dessen Geld angewiesen.