Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht befasst sich heute mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und dem Fiskalpakt. Mehrere Kläger haben verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, dass Deutschland bei diesen europäischen Rettungsmaßnahmen mitmacht.

Der Fiskalpakt ist ein völkerrechtlicher Vertrag, mit dem sich die Teilnehmer strengere Regeln zur Haushaltsdisziplin geben. 25 Länder sind dabei - alle EU-Staaten außer Großbritannien und Tschechien. Der Pakt sieht Schuldenbremsen in den Teilnehmerstaaten vor. Der gesamtstaatliche Haushalt einer Vertragspartei "ist ausgeglichen oder weist einen Überschuss auf", heißt es im Pakt. Der Haushalt gilt als ausgeglichen, wenn das Defizit 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts unterschreitet.

Neben der Neuverschuldung befasst sich der Fiskalpakt auch mit den Schuldenbergen der Staaten. Dazu gilt seit den 1990er-Jahren die oft gebrochene Vorschrift, dass das gesamtstaatliche Defizit 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht übersteigen darf. Der Fiskalpakt legt fest, dass Schulden, die diese Grenze überschreiten, "um durchschnittlich ein Zwanzigstel jährlich" abgebaut werden müssen, bis die Regel wieder eingehalten wird.

In Kraft treten soll der Vertrag am 1. Januar 2013. Dazu müssten mindestens zwölf Staaten den Pakt ratifiziert haben. Falls das Bundesverfassungsgericht die Ratifizierung in Deutschland stoppen sollte, könnte der Vertrag trotzdem in Kraft treten. Er würde dann aber in Deutschland nicht gelten.

Damit hätte die Bundesrepublik keine Möglichkeit, Geld aus dem ESM zu beantragen, sollte sie dies jemals tun wollen. Die Ratifizierung des Pakts ist Voraussetzung dafür, Unterstützung aus diesem Topf zu bekommen.

Der ESM ist der neue permanente Euro-Rettungsschirm. Um Euro-Staaten in finanzieller Schieflage zu helfen, soll der ESM über 80 Milliarden Euro Bareinlagen verfügen sowie 620 Milliarden Euro an abrufbarem Kapital. Das Volumen des Schirms wird nach und nach aufgebaut, die volle Summe dürfte frühestens 2014 zur Verfügung stehen.

Das Geld kann auf unterschiedlichen Wegen an die Staaten ausgereicht werden. Möglich sind Darlehen zur Überbrückung von Finanzierungsschwierigkeiten - wenn sich ein Land kein frisches Geld an den Märkten besorgen kann. Es gibt auch zweckgebundene Darlehen, die ein Land nur für die Stabilisierung seines Bankensektors einsetzt. Der Rettungsschirm hat zudem die Möglichkeit, Staatsanleihen an den Börsen aufzukaufen.

Ein Staat, der ESM-Leistungen beantragt, muss im Gegenzug Auflagen erfüllen. Ausgehandelt werden die Bedingungen mit der Europäischen Zentralbank (EZB), der EU-Kommission und dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Die Einhaltung der Verabredungen wird laufend überprüft.

Die Einzahlung in den ESM folgt dem sogenannten EZB-Schlüssel. Daher trägt Deutschland von allen Ländern den größten Anteil: 27,15 Prozent. Das entspricht knapp 22 Milliarden Euro Bargeld und 168 Milliarden Euro an Garantien. Sollte das Bundesverfassungsgericht die nationalen Gesetze zum ESM kippen, könnte Deutschland vorerst kein Geld einzahlen. Damit wäre der Zeitplan für den Start des Schirms in Gefahr. Denn der ESM geht erst in Betrieb, wenn er zu mindestens 90 Prozent gefüllt ist.