Die CDU ist offenbar bereit Lohnuntergrenzen zu schaffen und sucht auf ihrem Bundesparteitag eine gemeinsame Linie. SPD und FDP optimistisch.

Berlin/Frankfurt. Die CDU will im Streit über einen Mindestlohn in Deutschland zumindest in tariffreien Zonen Lohnuntergrenzen einziehen. Diese Idee wurde am Wochenende von der Opposition als grundlegender Schwenk begrüßt. Führende CDU-Vertreter stellten derweil klar, dass sie die Forderung nach flächendeckenden Mindestlöhnen weiter ablehnen. DGB-Chef Michael Sommer hofft dennoch, dass mit dem CDU-Antrag zum Bundesparteitag die Chancen steigen, noch in dieser Legislaturperiode einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn für alle Branchen durchsetzen zu können.

Anlass der neuen Debatten ist eine Empfehlung der Antragskommission für den CDU-Bundesparteitag im November, wonach sich die Lohnuntergrenzen am Mindestlohn der Zeitarbeit orientieren sollen. In der Branche gilt mindestens 6,89 Euro im Osten und 7,79 Euro im Westen pro Stunde als Untergrenze. „Wir wollen eine durch die Tarifpartner bestimmte und damit marktwirtschaftlich organisierte Lohnuntergrenze und keinen politischen Mindestlohn“, wird in der Empfehlung betont.

Arbeitministerin: Mindestlohn kommt

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) rief ihre Partei auf, beim Mindestlohn mehr Realitätssinn zu zeigen. „Die Frage ist nicht mehr, ob wir einen Mindestlohn haben werden, sondern wie man die richtige Höhe aushandelt“, sagte die CDU-Politikerin der „Süddeutschen Zeitung“ (Montagausgabe). Man dürfe es nicht zulassen, dass die Höhe der Mindestlöhne zu einem politischen Spielball werde. Daher sei sie für eine unabhängige Lohnkommission aus Arbeitgebervertreter, Gewerkschaften und Experten.

Der FDP-Generalsekretär Christian Linder begrüßte solche Überlegungen. „Ich bin froh, dass die Union offenbar nicht über einen von der Politik festgelegten Mindestlohn nachdenkt, sondern über eine Kommission“, sagte Lindner ebenfalls der „Süddeutschen Zeitung“.

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, bekräftigte sein Nein zu einem Mindestlohn. „Davon, dass allein die Politik einen Mindestlohn per Gesetz vorschreibt, halte ich nach wie vor nichts“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Die Vereinbarung von Löhnen bleibe weiter Aufgabe der Tarifpartner. Wichtig sei, dass sich die Arbeitgeber und die Gewerkschaften auf die Lohnuntergrenze verständigen. Ähnlich äußerten sich mehrere CDU-Ministerpräsidenten.

Opposition freut sich schon

Die Opposition zeigte sich unterdessen erfreut über den mutmaßlichen Kurswechsel. SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil sagte der „Braunschweiger Zeitung“ (Montagausgabe), es sei gut, dass sich die CDU nach Jahren der Blockade nun auch beim Mindestlohn den sozialdemokratischen Positionen anpasse. Grünen-Chef Cem Özdemir nannte es „höchste Zeit, dass die CDU ihren Widerstand gegen Mindestlöhne endlich aufgibt“. Linke-Parteichef Klaus Ernst forderte Merkel auf, noch in diesem Jahr die im Bundestag vertretenen Parteien und die Sozialpartner einzuladen, „um einen parteiübergreifenden Mindestlohnkonsens zu erarbeiten“.

+++ Die CDU öffnet sich in der Debatte um den Mindestlohn +++

Grünen-Arbeitsmarktexeprtin Brigitte Pothmer warnte jedoch vor einem „Merkel-Murks beim Mindestlohn“. Jeder Tarifvorbehalt beim allgemeinen Mindestlohn wirke wie eine „Einladung zum weiteren Lohndumping“, sagte sie. DGB-Cherf Sommer mahnte, der Mindestlohn sei wichtig für viele Beschäftigte, die trotz harter Arbeit mit Armutslöhnen abgespeist werden.

Union ringt um gemeinsame Linie

Die Lohnuntergrenze soll nach den neuen CDU-Vorstellungen in den Bereichen gelten, in denen ein tarifvertraglich festgelegter Lohn nicht existiert. Aus dem Adenauer-Haus hieß es am Sonntag, diese Bewegung komme aus der „Mitte der Partei“ und sei nicht explizit von der CDU-Vorsitzenden, Bundeskanzlerin Angela Merkel, angestoßen worden.

Der Sozialflügel der CDU hatte bereits im August in einem Antrag an die Mutterpartei für eine Einführung einer „allgemeinen gesetzlichen Lohnuntergrenze“ plädiert. Der Wirtschaftsflügel der CDU lehnte dies ab. Die Festlegung von Mindestarbeitsbedingungen sei Aufgabe der Tarifparteien und „nicht Sache des Staates“, hieß es zur Begründung. Unter Vorsitz von CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe hatte sich die Antragskommission mit dem Thema in den vergangenen Wochen befasst.