Die Euro-Krise lastet mittlerweile zentnerschwer auf den Regierungschefs, die Zeit läuft gegen sie. Eine Lösung soll Mittwoch stehen.

Brüssel. Es war kein guter Tag für die Euro-Sorgenländer, und für alle, die auf große und konkrete Beschlüsse des Europäischen Rates gehofft hatten, sowieso nicht. Seit dem frühen Sonntagmorgen saßen die 27 EU-Staats- und Regierungschefs zusammen, ein Treffen jagte in Brüssel das nächste - wie schon in den beiden Tagen zuvor, als die Finanzminister das für die Euro-Raum-Stabilisierung Mögliche auszuloten versucht hatten.

Aber dass alle Entscheidungen letztendlich von einer Einigung zwischen dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) abhängen, ist allen Beteiligten schon seit Beginn der Euro-Krise klar. "Die Situation ist sehr, sehr schwierig", so ein Diplomat aus einem EU-Mitgliedsland im Süden. "Und wir haben hier ohnehin nicht viel zu sagen. Alles läuft zwischen Deutschen und Franzosen ab." Doch die hatten gestern zunächst einmal auch nicht viel zu sagen. Da half auch der nachdrückliche Hinweis der Kanzlerin nicht, dass "heute die Entscheidungen für Mittwoch vorbereitet werden".

Schon gegen Mittag geriet die Tagesplanung durcheinander, das Mittagessen endete zwei Stunden später als geplant. Hinter den Kulissen herrschte weiterhin Uneinigkeit vor allem darüber, wie groß der Schuldenschnitt für Griechenland ausfallen soll. Die Bundesregierung fordert mit Blick auf den jüngsten Troika-Bericht, der Athen eine noch viel katastrophalere Lage attestiert als ohnehin bekannt, mindestens 50 Prozent. Frankreich, dessen Banken mit Milliarden Euro in Griechenland engagiert sind, würde das besonders hart treffen, weshalb Sarkozy lange Zeit nicht über die bereits Mitte Juli vereinbarten 21 Prozent hinausgehen wollte.

Wenigstens über die Rekapitalisierung der Banken scheint Einigung zu bestehen. Eine Nachricht, die zumindest eine positive Botschaft ist, wenn die asiatischen Finanzmärkte zu Wochenbeginn öffnen.

Und auch in Bezug auf Griechenland gab es zumindest aus dem deutschen Privatsektor erfreuliche Reaktionen: "Die deutschen Banken sind gut kapitalisiert. Ein angemessener Schuldenschnitt in der Griechenland-Krise ist für sie verkraftbar", sagte der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, Michael Kemmer, gestern in Berlin. Sollte im Einzelfall und aus anderen Gründen zusätzliches Eigenkapital benötigt werden, müsse das individuell mit dem jeweiligen Institut besprochen werden. Gesetzesänderungen seien dafür nicht erforderlich.

Die Euro-Krise lastet mittlerweile zentnerschwer auf den Regierungschefs, die Zeit läuft gegen sie. So ließ eine Bemerkung der Kanzlerin aufhorchen, die vor ihrer Abreise nach Brüssel vor der Jungen Union in Braunschweig sprach, und mit der sie verklausuliert deutlich machte, dass es nun wirklich um alles oder nichts geht. "Wir brauchen einen großen Schutzschirm, deshalb brauchen wir das, was David Cameron Bazooka genannt hat, um deutlich zu machen, wir wollen unseren Euro schützen", sagte sie mit Blick auf den britischen Premier. Eine Bazooka ist eine Panzerabwehrrakete, und Amerikaner und Briten nutzen den Begriff gern im übertragenen Sinne, wenn es wirklich ernst wird.

Mit dem Begriff Bazooka zielte die Kanzlerin darauf ab, dass nun endgültig ein überzeugend großer Schutzschirm geschaffen werden muss, wenn Griechenland tatsächlich kollabiert und die Spekulationswelle endgültig die anderen schwachen EU-Staaten einzuholen droht, Italien vor allem, aber vielleicht auch Spanien, im allerschlimmsten Fall sogar Frankreich.

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Gleichzeitig aber wollte Merkel nicht zulassen, dass die Erwartungen an den Gipfel-Sonntag zu hoch geschraubt werden. "Wir müssen am Mittwoch ganz bestimmte Schritte tun, die sich ergänzen: die Banken-Rekapitalisierung, Griechenland auf eine realistische Basis stellen und dafür in der Euro-Zone den Schutz für andere Länder vorbereiten", so Merkel. "Aber das sind nicht die letzten Schritte", betonte sie.

Auch Sarkozy, sichtlich bemüht, ein harmonisches Bild mit der deutschen Kanzlerin abzugeben, wies immer wieder auf die gemeinsame Verantwortung hin. "Wir haben den Willen, bis Mittwoch eine Einigung zu finden, mit der wir die Krise in den Griff bekommen", sagte der Franzose. "Aber es geht hier nicht nur um technische Probleme, es gibt auch demokratische Probleme, Länder mit sozialen Unruhen, wo es heftige Proteste gibt."

So wie Deutsche und Franzosen Verantwortung übernehmen, müssten das aber auch andere tun, betonten beide - und zielten damit insbesondere auf Griechen und Italiener ab. Italiens Premier Silvio Berlusconi war bereits gestern Morgen zu einem Frühstück im Brüsseler Ratsgebäude gebeten worden, wo ihm die Leviten gelesen wurden. Italien ist das wirtschaftlich drittstärkste Land der Euro-Zone, hat aber eine Verschuldung von 120 Prozent. Wenn Rom dieses Problem nicht in den Begriff bekommt, war Griechenland ein Kinderspielplatz, dass wissen alle - außer Silvio Berlusconi. Der Italiener wird nicht müde, die Standfestigkeit seiner Volkswirtschaft zu preisen. Auch beim Treffen der Europäischen Volksparteien, das am Sonnabendabend außerhalb von Brüssel stattfand, stimmte er dieses Lied erneut an, zur Verärgerung der Kanzlerin, wie Teilnehmer berichteten.

Für die der Abend nach diesem Treffen in Meise allerdings noch lange nicht vorbei war. Im Anschluss ging es in die Stadtmitte zurück, in ein Hotel gleich am Grand Place, wo auch Frankreichs Staatschefs während der Gipfel zu logieren pflegt. Dort ging dann der lange französisch-deutsche Gesprächsmarathon zum Euro-Gipfel weiter, der vor zwei Wochen in Berlin begonnen hatte und seinen vorläufigen Höhepunkt vergangenen Mittwoch fand.

Da tagte Merkel in Frankfurt am Rande der Verabschiedung von Jean-Claude Trichet, dem Chef der Europäischen Zentralbank, mit Sarkozy in einer "Elefantenrunde". Schon da ging es darum, Kompromisse auszuloten in Bezug auf den "Hebel" des EFSF-Rettungsschirms, den Paris lange Zeit mithilfe der EZB ertüchtigen wollte. Aber Merkel wehrte sich vehement gegen diese Variante. Auch zu Griechenland zeichnete sich da keinerlei Einigung ab.