Kriminalbeamte fordern sogar einen eigenen Internet-Minister. Millionen-Aufträge für Bundestrojaner ohne Ausschreibung vergeben.

Berlin. In der Affäre um die Staatstrojaner zur Computerüberwachung wird immer häufiger eine Kontrolle durch eine Bundeseinrichtung gefordert. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) verlangt sogar einen Bundesinternetminister für die Netzpolitik. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) strebt dagegen die Einschaltung einer unabhängigen Kontrollbehörde für den Einsatz von Bundestrojanern an. Mit diesem Thema befassen sich an diesem Donnerstag die Innenminister von Bund und Ländern in einer Telefonschaltkonferenz – über eine sogenannte sichere Leitung.

„Der Bund wird die Software künftig selbst entwickeln“, kündigte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl, im Vorfeld der Konferenz an. Der Bund benötige ein Kompetenz-Zentrum zur Erforschung und Entwicklung solcher Software sowie ein Service-Zentrum, in dem er allen Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder gegen Bezahlung Programme für hoheitliche Zwecke anbieten könne, sagte der CSU-Politiker der Onlineausgabe der „Mitteldeutschen Zeitung“. Darauf werde man nun hinarbeiten.

Innenminister Schünemann sagte: „Wenn es die Transparenz beziehungsweise das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung stärkt, ist zu überlegen, ob die entsprechende Software künftig einheitlich zertifiziert werden sollte“, erläuterte der CDU-Politiker in der „Welt“. Er schlägt dafür eine fachlich geeignete Bundesbehörde oder wissenschaftlich-technische Einrichtung vor. Der Sprecher der Unions-Innenminister nannte zwar keine Behörde namentlich, aber in Betracht kommt dafür laut Zeitung beispielsweise das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) mit Sitz in Bonn.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) fordert ein eigenes Bundesressort für die Netzpolitik. „Es ist höchste Zeit für einen Bundesinternetminister, der die drängenden Probleme des digitalen Zeitalters von der Sicherheit bis hin zum Datenschutz mit Nachdruck und aus einem Guss löst“, sagte BDK-Chef André Schulz der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Kompetenzgerangel und Blockaden zwischen den beteiligten Ministerien, Unkenntnis und Sorglosigkeit verhinderten bisher eine stringente Netzpolitik, beklagte Schulz.

Eine unabhängige Kontrollinstanz für den Einsatz von staatlicher Spionagesoftware hält auch die Opposition für sinnvoll. Die Software sollte wegen ihrer weit reichenden Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte von einer unabhängigen Stelle zertifiziert werden, damit sie rechtsstaatlichen Standards genügten, sagte Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) der „Westdeutschen Zeitung“.

Eine Zertifizierung sei besser, als sich bei der Anschaffung von Spähprogrammen allein auf Privatfirmen zu verlassen, findet der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz. „Aber erst einmal gilt es zu klären, ob die hohen Hürden des Grundgesetzes für einen solchen Eingriff überhaupt technisch umsetzbar sind“, sagte Notz der „Welt“.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger mahnte, die „Wissenslücke zwischen Staat und Technik“ gehöre dringend geschlossen. „Der Staat sollte den Grundrechtsschutz nicht faktisch in die Hände privater Programmierer legen“, sagte die FDP-Politikerin der Nachrichtenagentur dapd. Die Sicherheitsbehörden sollten selbst „den technischen Sachverstand bereithalten“, damit die verfassungsrechtlichen Grenzen gewahrt blieben.

Derweil wurde bekannt, dass das Zollkriminalamt und andere Behörden offenbar Millionenaufträge ohne Ausschreibung an die hessische Softwarefirma Digi Task vergeben haben, die wegen ihrer Trojaner-Programme in der Kritik steht. Allein das Zollkriminalamt bestellte laut Amtsblatt der Europäischen Union vielfach ohne Ausschreibung von März 2008 bis Januar 2009 Spähprogramme im Wert von mehr als 2,7 Millionen Euro, wie die „Frankfurter Rundschau“ berichtet.

Auch ein Auftrag des bayerischen Landeskriminalamtes über eine Software-Lieferung im Wert von 247.773 Euro im November 2008 sei „ohne Aufruf zum Wettbewerb“ vergeben worden, heißt es im Amtsblatt der EU. Die Begründung der Behörden: Die Leistung könne aus technischen Gründen nur von einem bestimmten Bieter ausgeführt werden. (dapd)