“Kein Indiz für geplanten Anschlag einer Terrorgruppe“ – Ladehemmung stoppte den islamistischen Attentäter vom Frankfurter Flughafen.

Hamburg. In nüchternem Ton schilderte Bundesanwalt Rainer Griesbaum gestern vor Journalisten in Karlsruhe, wie Arid U. zwei US-Soldaten gezielt und aus nächster Nähe mit Kopfschüssen tötete. Es ist Mittwoch, kurz nach 15 Uhr, als der 21 Jahre alte Mann einen Soldaten vor dem blauen Armee-Bus am Terminal 2 des Frankfurter Flughafens zunächst nach einer Zigarette fragt. Als dieser in einem kurzen Gespräch bestätigt, dass die Soldaten auf dem Weg nach Afghanistan seien, und sich umdreht, schießt ihm Arid U. mit seiner Pistole zweimal in den Kopf. Dann rennt er in den Bus und tötet den Fahrer. Mit weiteren Schüssen verletzt er zwei Soldaten im Bus. Erst als eine Patrone sich im Lauf der Waffe verklemmt, überwältigt ein Soldat den jungen Attentäter.

Die Terror-Fahnder der Bundesanwaltschaft gehen nach den bisherigen Ermittlungen und den ersten Vernehmungen des Attentäters weiterhin von einem islamistisch geprägten Einzeltäter aus. Für ein vernetztes Vorgehen oder eine Zugehörigkeit zu einer terroristischen Organisation gebe es keine Anhaltspunkte, sagte Griesbaum.

Die Hintergründe des blutigen Attentats vom Frankfurter Flughafen bedeuten für Deutschland somit auch eine positive Nachricht. Es gebe "kein Indiz für einen geplanten Anschlag einer organisierten Terrorgruppe". Der Beschuldigte Arid U. besitzt die serbisch-montenegrinische Staatsangehörigkeit. Die Ermittler beschreiben ihn als "sehr zurückhaltenden Mann", der wenige Freunde gehabt habe und Internet, Fernsehen und Computerspiele als Hauptbeschäftigungen ansah. Er war auf einem Gymnasium, das Abitur hat Arid U. aber nicht geschafft. Das Foto auf seiner Facebook-Seite zeigt einen schmächtigen Jungen mit glatt rasiertem Gesicht, kurzen Haaren und Rollkragenpulli. Es ist nicht das typische Bild der als besonders fundamentalistisch geltenden Salafisten, die U. zu seiner Bluttat inspiriert haben sollen.

Salafisten orientieren sich buchstabengetreu am Koran. Sie richten sich nur nach den frühesten Quellen ihres Glaubens und verfechten eine enge Auslegung. Seit Längerem führen salafistische Prediger in Deutschland Islamschulungen durch, berichtete der Verfassungsschutz 2009.

Zur Gefahr werden sie dann, wenn sie sich radikalisieren und zum "Heiligen Krieg" durch Attentate aufrufen. Die Tat von Arid U., sagt Bundesanwalt Griesbaum, sei "Hinweis für die Gefährlichkeit des virtuellen Dschihad im Internet". Terrorismus-Experte Philipp Holtmann von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin beobachtet, dass Dschihadisten in aller Welt seit etwa zehn Jahren dazu aufrufen, Attentate besser als Einzeltäter und mit möglichst minimalen Verbindungen zum terroristischen Milieu durchzuführen. "Diese Einzeltäter werden auf den Internetseiten der Islamisten als Märtyrer glorifiziert", sagte Holtmann dem Hamburger Abendblatt. Experten wie er sehen vor allem auch nach dem Streit um die Mohammed-Karikaturen im Jahr 2005 eine Radikalisierung islamistischer Einzeltäter in Deutschland.

Im Netz funktioniere die Ideologisierung der deutschen Dschihadisten durch klischeehafte, in gewisser Hinsicht jedoch gerechtfertigte Feindbilder gegen den Westen und die westliche Unterstützung von diktatorischen Regimen in der arabischen Welt, erklärt Holtmann. Am Ende der Hasspredigt rufen die Islamisten zum Attentat auf. Holtmann spricht von einer "virtuellen Führung" der Einzeltäter durch Islamisten auf diesen Webseiten.

Seit 2008 mehrt sich die Zahl deutscher Dschihadisten, die in pakistanisch-afghanische Stammesgebiete ziehen - und von dort mit Internet-Videos "Heilige Krieger" in Deutschland rekrutieren. Sie organisieren sich zunehmend und unterhalten sogar eigene Medienproduktionsfirmen. Die Videos zeigen paramilitärische Kämpfer im Training und idealisierte Bilder einer dschihadistischen Lebensgemeinschaft.

Vor allem müsse die Politik jetzt friedliche Gemeinden von Muslimen in Deutschland unterstützen, um dieser Propaganda im Netz mit demokratischen Gedanken entgegenzutreten, fordert Holtmann. Der Sicherheitsexperte der Grünen im Bundestag, Omid Nouripour, hält vor allem eine stärkere Kooperation zwischen deutschen Ermittlern und den Behörden in anderen Staaten wie beispielsweise Saudi-Arabien für notwendig. "Durch Zusammenarbeit lassen sich Hassprediger in den islamischen Staaten vor Ort besser ausfindig machen", sagte Nouripour dem Hamburger Abendblatt.