Neues Gesetz erlaubt die Versetzung belasteter Mitarbeiter in der Jahn-Behörde

Berlin. Bald feiert die Republik ein geschichtsträchtiges Jubiläum: Vor 20 Jahren, am 29. Dezember 1991, trat das Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) in Kraft. Damit wurde, weltweit einmalig, erstmals der umfassende Zugang zu den Unterlagen des Geheimdienstes einer Diktatur geregelt. Seitdem wurde das Gesetz immer wieder nachjustiert und an aktuelle Bedürfnisse angepasst. An diesem Freitag nun hat der Bundestag bereits die achte Novelle des StUG beschlossen. Anders als in der Vergangenheit geschah dies aber nicht mit einer breiten Mehrheit im Parlament: SPD, Grüne und Linke protestierten gegen die Gesetzesänderung, die mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen durchgesetzt wurde.

Parteiübergreifende Einigkeit besteht allein in einem Punkt. Es dürfe keinen Schlussstrich unter die Aufarbeitung der Stasigeschichte gezogen werden, betonte Wolfgang Thierse (SPD) in der hitzig geführten Bundestagsdebatte. Doch für den Ostdeutschen haben Union und FDP einen "verfassungspolitisch wie rechtspolitisch bedenklichen Weg" beschritten. So gestattet es das neue Gesetz, die Stasi-Überprüfungen im öffentlichen Dienst bis 2019 fortzuführen und zudem auf Beschäftigte der mittleren Leitungsebene auszudehnen. Für Thierse wird damit ein "latentes Misstrauen gegenüber ostdeutschen Bürgern" in Gesetzesform gegossen. Das sei "unverhältnismäßig". Nach Ansicht von SPD und Grünen sollte es nur bei Vorliegen eines Verdachts entsprechende Überprüfungen geben.

Diesen Vorschlag der Opposition jedoch lehnt die Koalition strikt ab. Aus ihrer Sicht ist es für staatliche Arbeitgeber unzumutbar, erst tätig zu werden, wenn ein Verdacht vorliegt. "Dann hängt es von Journalisten oder gar Denunzianten ab, ob zufällig etwas öffentlich wird", sagte der FDP-Abgeordnete Reiner Deutschmann. Seine Kollegin Beatrix Philipp (CDU) erklärte, die neuen Regeln zur Überprüfung sorgten für Transparenz und für Vertrauen in die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Der aus Thüringen stammende Patrick Kurth (FDP) warf Thierse vor, Ost gegen West auszuspielen. Das Stasi-Unterlagen-Gesetz richte sich nicht gegen Ostdeutsche, es sei vielmehr ein gesamtdeutsches Gesetz. Im Westen wurde die Möglichkeit zur Überprüfung auf Stasi-Verstrickungen bislang allerdings kaum genutzt.

Für noch mehr Zank zwischen Opposition und Koalition sorgt Paragraf 37(a), der neu in das Gesetz eingefügt worden ist. Danach darf die Stasi-Unterlagenbehörde (BStU) künftig keine ehemaligen Stasimitarbeiter mehr einstellen. Strittig hierbei: In der BStU sind derzeit noch 45 Beschäftigte mit Stasi-Biografie tätig. Sie dürfen nach dem neuen Gesetz innerhalb der Bundesverwaltung versetzt werden - "unter Berücksichtigung sozialer Belange" und auch nur, wenn "dies im Einzelfall zumutbar ist".

Für die Opposition ist eine solche Regelung trotzdem hochproblematisch. Thierse sprach von einem "de facto rückführenden Einzelfallgesetz". Die Mitarbeiter seien mittlerweile seit 20 Jahren in der Behörde tätig und hätten sich nichts zuschulden kommen lassen. Eine Lösung des Dilemmas, dass ausgerechnet in der Stasi-Unterlagenbehörde ehemalige Stasimitarbeiter tätig seien, darf es für Thierse nur "in arbeitsrechtlich einwandfreier Weise" geben. Der Grünen-Politiker Wolfgang Wieland sprach von einem verfassungswidrigen Sondergesetz, das nutzlos sei und die Versetzung der Stasi-belasteten Mitarbeiter in der Behörde nicht einfacher mache.

Demgegenüber erinnerte FDP-Mann Kurth daran, dass der neue Behördenchef Roland Jahn mit den entsprechenden Mitarbeitern seit Wochen Gespräche führe. Man habe ihnen "eine Luxusbrücke" gebaut, doch "freiwillig geht da keiner". Deshalb habe der Gesetzgeber handeln müssen. Wolfgang Börnsen (CDU) bezeichnete die Einstellung ehemaliger Stasi-Leute in die BStU als Fehlentscheidung. Da seien "Brandstifter zum Feuerlöschen" eingesetzt worden. Diese Kritik zielte indirekt auf Joachim Gauck, den ersten Leiter der Behörde.

Während Gaucks Amtszeit stellte die BStU mehr als 70 Stasi-Offiziere ein. Darunter waren beispielsweise mit Oberst Gerd Bäcker und Oberstleutnant Bernd Hopfer selbst Spezialisten für "Zersetzungsmaßnahmen", wie die gezielte Zerstörung der Persönlichkeit von SED-Gegnern im Stasi-Jargon hieß. Ausgerechnet diese beiden Mielke-Vertrauten berief Gauck in eine "Arbeitsgruppe Sonderrecherche". Ausgestattet mit Sonderausweisen konnten sie sich unkontrolliert in den Archiven bewegen und hatten Zugriff auf fast alle Akten. Der Öffentlichkeit verheimlichte Gauck das Ausmaß der Beschäftigung ehemaliger Stasimitarbeiter. Daran änderte sich auch unter seiner Nachfolgerin Marianne Birthler nichts.