Berlin/Saarbrücken. In Deutschland müssen immer mehr Rentner auch im hohen Alter noch zusätzlich arbeiten oder die staatliche Grundsicherung beantragen, um ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können. So gingen 2010 rund 660 000 Menschen im Alter zwischen 65 und 74 Jahren nebenher einer geringfügigen Beschäftigung oder einem Minijob nach. Im Jahr 2000 waren nur 416 000 Rentner auf einen Zuverdienst angewiesen.

Der Anstieg beträgt damit knapp 60 Prozent. Dieser Wert geht aus aktuellen Angaben des Bundesarbeitsministeriums hervor, über die die "Saarbrücker Zeitung" gestern berichtete. Der Anteil der geringfügig beschäftigten Rentner wuchs seit dem Jahr 2000 von 3,0 auf 3,9 Prozent aller Rentner.

"Ruhestand war gestern, malochen bis zum Tode heißt heute das Schicksal von immer mehr Rentnerinnen und Rentnern", sagte der Linken-Abgeordnete Matthias Birkwald, der eine kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt hatte. 400 000 Menschen über 65 Jahre beantragten und erhielten im Jahr 2009 nach den vorliegenden Zahlen zudem die staatliche Grundsicherung im Alter, ebenfalls ein Zuwachs von 55 Prozent gegenüber 2003, als es nur 258 000 waren. Hintergrund der Entwicklung ist offenbar die Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse und gebrochener Erwerbsbiografien. "Prekäre Arbeit führt direkt in die Altersarmut", sagte Birkwald und forderte unter anderem, alle Rentenkürzungsfaktoren wieder abzuschaffen, die Rente mit 67 zurückzunehmen und wieder Mindestentgeltpunkte für Langzeitarbeitslose und Niedrigverdiener einzuführen.

Das Sozialministerium warnte dagegen vor einer Fehlinterpretation dieser Zahlen. Eine Ministeriumssprecherin verwies darauf, dass innerhalb eines Jahrzehnts die Zahl der Rentner um zwei Millionen gestiegen sei. Insofern sei der Zuwachs bei den Senioren, die etwas dazuverdienten, "nicht so gravierend". Für den Herbst hat das Ministerium einen "Regierungsdialog Rente" ins Leben gerufen. Anfang 2012 solle ein Gesetzentwurf vorgelegt werden, mit dem das Rentensystem so angepasst werden solle, "dass Armutsgefährdung im Alter nicht zunimmt", teilte das Sozialministerium mit.