Der Unternehmer und Millionär Maschmeyer und Ex-Kanzler Schröder gehören zu Hannovers ungewöhnlichstem Freundeskreis.

Es locken frische Austern, Lachs, Garnelen und Spargel mit Milchkalb. Es locken Weine für 1000 Euro die Flasche. Es lockt die gute Laune, die Ex-AWD-Chef und Multimillionär Carsten Maschmeyer auf seinen Festen versprüht. Und es locken die Gespräche in entspannter Atmosphäre mit vielen Reichen, Schönen und Mächtigen. Es ist die Geburtstagsfeier von Maschmeyer, die "Bunte" druckt große Fotos. Am 8. Mai 2010 ist er 51 geworden. Wenn der "Maschi", der Unternehmer, zur Fete einlädt, kommen sie alle: der Anwalt, der Ex-Kanzler, der Wirtschaftsweise und auch der Ministerpräsident, der bald Bundespräsident werden wird. Es sind fünf Männer, die in einem der ungewöhnlichsten und mächtigsten Freundeskreise der Republik die Strippen ziehen.

Der Anwalt

Er ist vielleicht nicht der Reichste, Mächtigste oder Berühmteste des Zirkels, und doch steht der Hannoveraner Rechtsanwalt Götz-Werner von Fromberg in seinem Mittelpunkt. Weiche, rosige Gesichtszüge, weiße Bartstoppeln, weiße Haare. Für eine graue Eminenz wirkt er freundlich. Eher der Typ rheinische Frohnatur.

Nur: Es gibt da diese Bilder, auf denen er dabei ist, nie im Vordergrund, aber immer dabei. Im Stadion des Bundesligisten Hannover 96 neben dem damaligen Kanzler Schröder. Bei Maschmeyers 51. Geburtstag. Als Schlichter im Rockerfrieden zwischen den Hünen von Hells Angels und Bandidos. Als Schiedsrichter beim Tischfußball, dem "Krökeln", im eigenen Partykeller. Die Teams: Gerhard Schröder und Sigmar Gabriel (rote Mannschaft) gegen Thomas Gottschalk und Scorpions-Sänger Klaus Meine. Karl Dall daneben muss zuschauen.

Der Partykeller von Fromberg ist so etwas wie die Antithese zu Maschmeyers Geburtstagsglamour. Drei Räume, kleine Bar, Zapfanlage, Kicker. "Dort gab es Holzfällersteak und Frikadellen", erinnert sich einer, der dabei war. "Eher spießig" sei das Ganze gewesen. "Ein Partykeller, wie es ihn fünf Millionen Mal in Deutschland gibt." Trotzdem zieht Fromberg die Prominenz an - Boxweltmeister Klitschko, Ex-Wirtschaftsminister Clement, Ex-"Spiegel"-Chef Aust, die Liste lässt sich fortsetzen. Vor allem mit Ex-Kanzler Schröder versteht sich Fromberg besonders gut. Die beiden kennen sich seit Jahrzehnten, aus dem Referendariat. Im "Verein Fußball spielender Juristen" kickten sie schon in den 70er-Jahren zusammen. Fromberg linker Verteidiger, Schröder Mittelstürmer. Abends gibt es Currywurst, Bier und Skat. Jahrzehnte später arbeiten die beiden in einer Hannoveraner Bürogemeinschaft nebeneinander, bis Schröder 2010 auszieht.

Der Unternehmer

Carsten Maschmeyer hat mit dem Finanzdienstleister AWD Millionen verdient. Sein Vermögen wird je nach Quelle auf 500 bis 900 Millionen Euro taxiert. Auch privat läuft es prima, er ist mit Schauspielerin Veronica Ferres liiert.

Wären da nicht diese Geschichten. Immer wieder sind vermeintliche Opfer von schlechter AWD-Beratung Thema in den Medien. Der "Spiegel" berichtet in seiner aktuellen Ausgabe über fragwürdiges Geschäftsgebaren der Berater. Möglicherweise hätten diese nicht ausreichend auf Risiken hingewiesen. In Wien seien Sammelklagen von 2500 Geschädigten gegen den AWD zugelassen. Dazu muss man wissen, dass AWD als Finanzdienstleister keine eigenen Produkte, Versicherungen oder Fonds vertreibt - sondern nur gegen Provision die Vermittlung übernimmt. Das Unternehmen arbeitet nach dem Modell des Strukturbetriebs. Berater hätten einen Teil ihrer Einnahmen nach oben weitergeben müssen, schreibt das Nachrichtenmagazin. Einige hätten unter Druck gestanden, und die höchsten Provisionen habe es für besonders risikoreiche geschlossene Fonds gegeben.

Auch in der ARD lief kürzlich ein kritischer Bericht "Der Drückerkönig und die Politik", gegen den sich Maschmeyer juristisch zur Wehr setzt. Der Unternehmer fühlt sich missverstanden und von den Medien an den Pranger gestellt. Er verweist auf die vielen zufriedenen AWD-Kunden.

Maschmeyer hat das Unternehmen vollständig oder teilweise, so genau weiß er das wohl nur selbst, an die Versicherungsgruppe Swiss Life verkauft - noch vor der Weltfinanzkrise.

Seine Nähe zur Politik ist bekannt, die Bilder von seinem 51. Geburtstag zeigen auch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) mit Maschmeyer und Ferres. Beide waren auch einmal Minister in Hannover an der Leine. Doch Fragen, ob die Nähe zu den Politikern zu eng ist, haben aber vor allem die Verbindungen des Unternehmers in die Politikergarde um Ex-Kanzler Schröder aufgeworfen.

In den Niedersachsenwahlkampf 1998 greift Maschmeyer mit einem Geniestreich ein. In der SPD machten sich Schröder und Oskar Lafontaine gleichermaßen Hoffnungen, Helmut Kohl abzulösen. Doch zuvor wird noch in Niedersachsen gewählt. Einen Tag vor der Wahl erscheint eine Anzeige in den wichtigsten Zeitungen des Landes: "Ein Niedersachse muss Kanzler werden." Rund 650.000 Euro habe dieser PR-Streich Maschmeyer gekostet, schreibt der "Spiegel". Für Schröder brechen alle Dämme, er gewinnt triumphal die Niedersachsenwahl. Lafontaine überlässt ihm die Kanzlerkandidatur.

Der Ex-Kanzler

Auch als Ex-Kanzler ist Gerhard Schröder viel auf Achse. Er berät den Schweizer Medienkonzern Ringier, sitzt im Aktionärsausschuss der Gazprom-Tochtergesellschaft Nord Stream und ist als Vortragsreisender bei der New Yorker Agentur Harry Walker gelistet. Den 51. Geburtstag von Maschmeyer lässt er sich natürlich nicht entgehen. Ein Foto zeigt ihn beim Plausch mit Rotwein, schelmischem Grinsen, den Zeigefinger erhoben. Seine Zuhörer Maschmeyer und Gabriel lachen in ihre Weißweingläser.

Da passt gut ins Bild, dass sich der Unternehmer für Schröder um die Vermarktung seiner Memoiren kümmerte. Rund eine Million Euro habe er für die Rechte gezahlt, schreibt der "Spiegel" - Maschmeyer dementiert nicht. Die Rechte seien gewinnbringend vermarktet worden, teilt Maschmeyer mit. "Es handelt sich um einen normalen Kauf und Verkauf und keine Gefälligkeit, denn die Gesamtsumme der Erlöse übertraf deutlich den Pauschalpreis beim Ankauf." Ankauf und Vermarktung seien öffentlich bekannt gewesen.

Persönlich kennengelernt haben sich Maschmeyer und Schröder erst 2002, sagt Maschmeyer. Wenn es denn stimmt, dass er den Ministerpräsidenten Schröder damals gar nicht gekannt hat und es nur darum ging, Oskar Lafontaine als Kanzler zu verhindern, zeigt sich unternehmerische Weitsicht: Das Investment hat sich ausgezahlt.

Man versteht sich offenbar von Anfang an. So gut, dass Schröder Maschmeyer 2004 mit auf seine China-Reise nimmt, ganz im Auftrag der Deutschland AG. Maschmeyer sieht in China einen riesigen Markt für die private Rentenvorsorge. Überhaupt fliegen die beiden gern zusammen. Später nimmt Maschmeyer laut "Spiegel" den Ex-Kanzler Schröder in seinem schwarzen Learjet zu einem Scorpions-Konzert mit.

Im Dezember 2004 staunen die Teilnehmer der AWD-Vertriebstagung nicht schlecht. Im Berliner Hotel Estrel kündigt Maschmeyer einen besonderen Ehrengast an: Bundeskanzler Schröder. Laut AWD-Mitarbeiterzeitschrift soll Schröder sinngemäß gesagt haben, die Leute sollten die Renten ihrer Mandanten sichern, der Staat könne es nicht. Im Klartext: Schröder redet das solidarische Rentenmodell schlecht, um das Deutschland viele andere Länder beneiden.

Der Wirtschaftsweise

Bert Rürup war ein Wirtschaftsweiser und einer der einflussreichsten Wissenschaftler der Republik. Er saß im Sozialbeirat der Bundesregierung und in der Rentenreformkommission von Rot-Grün. Er hat die Riester-Rente mitentwickelt, die in der Variante für Selbstständige Rürup-Rente heißt.

2009 wurde er für ein paar Monate Chefökonom bei AWD, dann gründete er zusammen mit Maschmeyer die MaschmeyerRürup AG, ein international ausgerichtetes Unternehmen zur Strategieberatung für Finanzdienstleister. "Rürups individuelles Rentenmodell, so könnte man sagen, beruhte darauf, ein Schlaraffenland für eine Branche zu schaffen, für die er hinterher tätig sein würde", kommentierte der "Spiegel" spitz.

Bei Maschmeyers Geburtstag war Rürup auch dabei, schwatzte mit Christoph Gottschalk, dem Bruder des Entertainers. Auch der frühere SPD-Minister für Arbeit- und Soziales, Walter Riester, gehört als Berater zum Bekanntenkreis von Maschmeyer. Nach dem ehemaligen IG-Metall-Chef ist die gleichnamige Rente benannt. Angeblich tritt der Ex-Politiker auch vor AWD-Mitarbeitern auf. Es gibt ein Foto von ihm vor einer AWD-Werbewand. Und auch Schröders ehemaliger Regierungssprecher Bela Anda kommt nach dem Ende der Kanzlerschaft als Kommunikationsdirektor beim AWD unter.

Hannover ist eine traditionsreiche SPD-Hochburg. Aber das öffentlichkeitswirksame Treiben der Maschmeyer-Clique geht heute vielen Genossen zu weit. Hinter vorgehaltener Hand legen führende Sozialdemokraten Wert auf die Feststellung, sie gehörten nicht zu dem, was einer von ihnen "Klüngel" nennt.

Deutlicher werden die Grünen. "Bei Herrn Maschmeyer hat das Wort Freund offenbar eine ganz besondere Bedeutung, und das insbesondere immer dann, wenn diese Freunde über politischen Einfluss verfügen", sagt Stefan Wenzel, Grünen-Fraktionschef in Niedersachsens Landtag. Auch dem neuen Ministerpräsidenten David McAllister (CDU) wird eine deutliche Distanz zu jenem Netzwerk nachgesagt, ganz anders als seinem Vorgänger Christian Wulff.

Der Bundespräsident

Christian Wulff hat von seinem Vorgänger Schröder im Amt des niedersächsischen Ministerpräsidenten viel abgeguckt: Auch der heute 51-jährige Bundespräsident profilierte sich als Aufsichtsrat beim Volkswagenkonzern in der Rolle des Automannes, dem es immer auch um Industriepolitik geht.

Dass der dann aber nach seiner Scheidung 2007 und der Heirat mit seiner zweiten Frau Bettina, geborene Körner, quasi nahtlos in Schröders Rolle auch auf dem gesellschaftlichen Parkett hineinwuchs, hat sogar viele Parteifreunde überrascht: Ausgerechnet Maschmeyer, der doch Wulff mit jener Anzeigenkampagne für Schröder in den ohnehin schwierigen Landtagswahlkampf 1998 gegrätscht war.

Die zweite Ehefrau Bettina des CDU-Politikers und Veronica Ferres treten regelmäßig gemeinsam auf. Die "Bunte" bezeichnet Wulff sogar als "Kuppler" für die Maschmeyer-Ferres-Liaison.

Inzwischen zählt Wulff auch andere Schröder-Vertraute wie den Stahlunternehmer und aktuellen Chef des Energiekonzerns RWE, Jürgen Großmann, zu seinen Freunden. Die Trennung, die Heirat und die neuen reichen Freunde bringen den bis dahin betont soliden Wulff in die Boulevardmedien, aber sie machten ihn offenkundig auch unvorsichtig.

Im Sommer 2010 machte Wulff Familienurlaub auf Mallorca - ausgerechnet in der Villenanlage von Maschmeyer. Zum üblichen Preis, versicherten die Beteiligten, aber in Hannover reichte das Unbehagen über so viel Mangel an Fingerspitzengefühl und Nähe erneut bis in die eigene Partei.

Für die Geburtstagsfeier zum 51. von Maschmeyer nahm Wulff - noch als Ministerpräsident von Niedersachsen - einige Umstände in Kauf. Erst schickte er seine Frau Bettina und passte auf die Kinder auf. Gegen 23 Uhr fuhr er dann bei Maschmeyer vor, und seine Frau brach zum Babysitting auf, berichtet die "Bunte".

Der Rocker

Kahler Schädel, Walrossbart, lächeln sieht man ihn selbst dann nicht, wenn er gerade ein Friedensabkommen zwischen Rockern unterzeichnet. Frank Hanebuth, 46, ist der Präsident der Hells Angels in Hannover. Die Presse nennt ihn auch "Steintor-König". In der Rotlicht- und Amüsierecke der Stadt gilt der Rocker als inoffizieller Chef. Die Geschichte ist bekannt. Als in den 90er-Jahren die Gewalt im Milieu überhandnahm, Albaner, Russen, Jugoslawen und Kurden um die Vorherrschaft rangen und es Tote gab, sollen die Rocker im Viertel aufgeräumt haben.

Und was hat der Chef der Höllenengel mit dem exklusiven Klub an der Leine zu tun? Jurist Fromberg vertritt Hanebuth seit mehr als einem Jahrzehnt. Sie kennen sich noch aus Tagen, als der Rocker als einfacher Rausschmeißer mit dem Gesetz in Konflikt geriet. Die beiden sind angeblich auch Geschäftspartner: Als Hanebuth im Rotlichtviertel das Feinschmeckerrestaurant Little Italy aufbaut, gehört, so die "FAZ", die Immobilie dem Anwalt. In Frombergs Partykeller zum "Krökeln" komme der Rocker nur spät in der Nacht, schreibt die renommierte Zeitung.