Der Vorwurf, bei seiner Doktorarbeit ganze Passagen abgeschrieben zu haben, bringt Verteidigungsminister Guttenberg in Bedrängnis.

Hamburg. Fast 1200 Fußnoten hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), 39, in seiner Doktorarbeit gesetzt. Trotz dieser Fleißarbeit muss sich der Minister mit Täuschungsvorwürfen auseinandersetzen. Denn einige wichtige Fußnoten und Quellenangaben fehlen in der Dissertation mit dem Titel "Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU", für die Guttenberg 2007 die Bestnote summa cum laude erhielt.

Der Name des Liechtensteiner Politikwissenschaftlers Wilfried Marxer beispielsweise taucht nirgendwo in der 475 Seiten starken Abhandlung auf. Allerdings hat der Minister in drei Passagen 26 Zeilen aus der schriftlichen Fassung eines Vortrags von Marxer übernommen. Leicht abgewandelt und inklusive einer Fußnote im Wortlaut. "Es ist wissenschaftlich unsauber, wenn man Textstellen von anderen Autoren nimmt und das nicht kenntlich macht", sagte Marxer dem Abendblatt. "Das gehört sich nicht - auch nicht im Fall eines Verteidigungsministers."

Marxer ist kein Einzelfall, wie die "Süddeutsche Zeitung" am Morgen berichtete. Demnach soll Guttenberg mehrere längere Textpassagen von Wissenschaftlern und Journalisten kopiert haben - Textbausteine ohne Quellenangabe und nur minimal verändert.

Auf die Spur gekommen sei ihm der Bremer Juraprofessor Andreas Fischer-Lescano, 38, mit einer simplen Google-Suche. Er habe eine Rezension für eine Fachzeitschrift schreiben wollen und dafür ganze Wortgruppen in die Suchmaske eingetippt. Das überraschende Ergebnis: Gleich bei acht Textpassagen habe der saubere wissenschaftliche Nachweis gefehlt. Die Arbeit sei ein "dreistes Plagiat", eine "Täuschung", sagte Fischer-Lescano.

215, 216, 217, 349, 350 und 381 - auf diesen Seiten der Doktorarbeit hat Guttenberg laut Fischer-Lescano mindestens unsauber gearbeitet, im drastischsten Fall versucht zu betrügen. Ganze 97 Zeitungszeilen habe Guttenberg aus einem Artikel der "Neuen Züricher Zeitung am Sonntag" (NZZ) übernommen, ohne das Blatt oder die Autorin Klara Obermüller zu nennen. Der NZZ-Chefredakteur forderte gestern eine Entschuldigung.

Am Vormittag verteidigte sich der Minister: "Der Vorwurf, meine Doktorarbeit sei ein Plagiat, ist abstrus." Er sei aber bereit zu prüfen, ob vereinzelt Fußnoten nicht oder nicht korrekt gesetzt seien, und würde dies bei einer Neuauflage berücksichtigen. Guttenberg: "Und sollte jemand auf die Idee kommen zu behaupten, Mitarbeiter meiner Büros hätten an der wissenschaftlichen Erarbeitung meiner Dissertation mitgewirkt, stelle ich fest: Dies trifft nicht zu. Die Anfertigung dieser Arbeit war meine eigene Leistung." Sein Doktorvater, Professor Peter Häberle, sprang ihm bei. "Der Vorwurf ist absurd, die Arbeit ist kein Plagiat", sagte er der "Bild".

Karl-Theodor zu Guttenberg hatte seine Dissertation 2006 an der Universität Bayreuth eingereicht, damals saß er schon vier Jahre für die CSU im Bundestag. Die Universität muss nun über mögliche wissenschaftliche Konsequenzen - wie die Aberkennung des Doktortitels - entscheiden. Sie wartet nun auf eine schriftliche Stellungnahme des Ministers. In Berlin stritten zu diesem Zeitpunkt die Parteien, wie die Plagiatsenthüllung zu bewerten sei. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin erklärte: "Egal ob vorsätzliches Plagiat oder einfache Schlamperei: Guttenberg hat zum ersten Mal das Problem, dass er die Verantwortung auf keinen anderen abschieben kann." SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte "Spiegel Online": "Wenn die Bundesregierung die in China verbreitete Neigung zum Plagiat kritisiert und mehr Respekt für geistiges Eigentum fordert, muss sie das auch in den eigenen Reihen sicherstellen."

CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich sprach hingegen von einem "politisch motivierten Angriff von ganz links außen" und einer "politischen Sauerei". Es gehe darum, einen erfolgreichen Politiker persönlich zu beschädigen. So bewege sich der "Enthüllungsprofessor Fischer-Lescano" zwischen der SPD und der Linken. Gemeinsam mit der ehemaligen hessischen SPD-Chefin Andrea Ypsilanti arbeite er im Institut Solidarische Moderne für ein geeintes linkes Lager. Verteidigungsstaatssekretär Christian Schmidt (CSU) wies die Plagiatsvorwürfe als "ungehörig" zurück. "Da steckt eine Kampagne dahinter." Auch wenn die Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Guttenberg den Rücken stärkte, sieht er schwierigen Zeiten entgegen.

Im Laufe des Tages tauchten weitere Plagiatsvorwürfe auf. So schrieb die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) am Nachmittag im Internet, dass am Anfang der Einleitung zwei Absätze einem FAZ-Artikel von 1997 fast bis aufs Wort gleichen.

Wenige Wochen nach den drei Bundeswehrskandalen um den Tod einer Offiziersanwärterin auf der "Gorch Fock", mangelnde Kommunikation bei einem Schießunfall und geöffnete Feldpost in Afghanistan geht Karl-Theodor zu Guttenberg nun erneut in die Defensive. Anders als zuletzt steht er diesmal allein in der Verantwortung. Sündenböcke sind nicht in Sicht.

Möglicherweise ist es Angela Merkel sogar ganz recht, wenn Guttenbergs hohe Popularitätswerte etwas sinken. Zuletzt hatte sich der Minister gegen die Sparziele von Kanzlerin und Finanzminister gesträubt. Diese seien wegen des Umbaus der Truppe in seinem Ressort nicht zu erreichen.

Die Plagiatsvorwürfe bedrohen ihn nun an seiner empfindlichsten Stelle. Sie untergraben seinen Status als Medienliebling und Politstar. Sie untergraben seine Glaubwürdigkeit.