Der Bundesrat stoppt das Gesetz von Arbeitsministerin von der Leyen. Jetzt geht der Machtpoker um die Reform in eine neue Runde.

Berlin. Nach der Blockade der Hartz-IV-Reform durch den Bundesrat stehen die Zeichen weiter auf Konfrontation. Die schwarz-gelbe Regierung und die Opposition aus SPD, Grünen und Linken können sich nach wie vor nicht auf eine gemeinsame Linie bei der Neuregelung des Gesetzes einigen. Vor der ersten offiziellen Sitzung des Vermittlungsausschusses, der nun einen Kompromiss ausloten soll, bekräftigten beide Seiten ihre Positionen.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) verteidigte ihren Gesetzesentwurf. Die Regelsatz-Erhöhung um fünf Euro sei "mit aller gebotenen Transparenz" ermittelt worden, sagte sie. Die Regierung habe die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts "Punkt für Punkt verfassungsfest durchgerechnet". Mit dem Bildungspaket für Kinder betrete man "absolutes Neuland". Völlig anders sieht es jedoch die Opposition: "Die Gesetzesvorlage der Arbeitsministerin wird den Vorgaben der Karlsruher Richter nicht gerecht", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, dem Abendblatt.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar geurteilt, dass die Regierung die Regelsätze für Hartz-IV-Empfänger bis zum 1. Januar 2011 transparenter berechnen und außerdem die Teilhabemöglichkeiten für Kinder verbessern soll. Beides sieht Beck, der für seine Partei im Vermittlungsausschuss sitzt, nicht gewährleistet. "Wir werden kein verfassungswidriges Gesetz mittragen", betonte er.

Der Entwurf der Arbeitsministerin sieht eine Erhöhung der Regelsätze von 359 auf 364 Euro vor sowie ein Bildungspaket für Kinder, mit dem unter anderem per Gutschein-System die Teilnahme an Musikunterricht, in Sportvereinen oder Nachhilfemaßnahmen finanziert werden soll. Nachdem der Bundestag dem Gesetz Anfang Dezember zugestimmt hatte, konnte Schwarz-Gelb im Bundesrat keine Mehrheit finden: Eine Stimme fehlte der Koalition zur Billigung.

Vor allem der SPD gehen die Pläne nicht weit genug. "Statt der geplanten Gutscheinbürokratie müssen die Mittel unbürokratisch von den Kommunen verwaltet werden", forderte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, im Abendblatt. Auch er ist Mitglied im Vermittlungsausschuss. Zudem müsse es flächendeckend Schulsozialarbeiter geben - und deutliche Fortschritte beim Mindestlohn. "Wir können uns schnell verständigen, wenn sich die Ministerin bewegt", stellte Oppermann klar. Auch Grünen-Politiker Beck setzt auf Tempo: "Wir sollten jetzt mit hohem Druck an einer Lösung arbeiten. Die Rechtsansprüche der Leistungsempfänger gelten unmittelbar ab 1. Januar", sagte er. Sowohl die Regelsatzerhöhung um fünf Euro als auch die verbesserten Teilhabemöglichkeiten von Kindern könnten ab diesem Datum geltend gemacht werden.

Schon zuvor hatten Juristen und Sozialrechtler vor einer mögliche Klagewelle gewarnt. Mit einem Verweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Reform zum 1. Januar einfordert, könnten die Leistungsempfänger die Vorgaben aus Karlsruhe juristisch einklagen. "Ursula von der Leyen ist gut beraten, dafür den Weg sofort frei zu machen", sagte Beck mit Blick auf diesen Zusammenhang. Auch von der Leyen sagte, sie sei "Tag und Nacht" zu Verhandlungen bereit. Die Beteiligten könnten sich "jetzt nicht in den Weihnachtsurlaub verabschieden", sondern müssten gemeinsam nach einer Lösung suchen.

Bereits am Freitag kam der Vermittlungsausschuss zu einem ersten inoffiziellen Treffen zusammen. Ab Montag wird sich eine Arbeitsgruppe mit dem Thema beschäftigen. "Wir sind realistisch und gehen davon aus, dass wir nicht alle unsere Forderungen zu 100 Prozent durchsetzen können", gab Oppermann zu. Von der Leyen müsse sich aber auch bei den Regelsätzen bewegen. "Wir fordern eine transparente und verfassungsfeste Neuberechnung." Ein SPD-Antrag, die zusätzlichen Leistungen ohne Gesetz pünktlich auszuzahlen, fand ebenfalls keine Mehrheit im Bundesrat. Die Kammer tagt das nächste Mal am 11. Februar.