Die Bundesjustizministerin legt vor der Hamburger Innenministerkonferenz ein Konzept für ein neues Bleiberecht von Kindern und Jugendlichen vor.

Hamburg. Vor der Innenministerkonferenz in Hamburg hat Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger einen Vorstoß unternommen, die Abschiebung gut integrierter Minderjähriger zu stoppen. "Eine klare bundesgesetzliche Aufenthaltsregelung für Kinder und Jugendliche ist überfällig", sagte die FDP-Politikerin dem Abendblatt. "Die Innenminister von Bund und Ländern sollten einen sofortigen Abschiebestopp für Kinder und Jugendliche beschließen und sich einer Reform des Ausländerrechts annehmen." Wenn sich die Innenministerkonferenz im Grundsatz auf einen Vorstoß einige, könnten in der schwarz-gelben Koalition auch kurzfristig aufenthaltsrechtliche Regelungen vorgenommen werden.

Das Ministerium von Leutheusser-Schnarrenberger hat bereits Eckpunkte einer gesetzlichen Regelung ausgearbeitet, die dem Abendblatt vorliegen. Sie gehen deutlich weiter als das Konzept, das Hamburgs Innensenator Heino Vahldieck und Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (beide CDU) bei der Innenministerkonferenz morgen und am Freitag durchsetzen wollen. "Beim Bleiberecht für ausländische Kinder und Jugendliche darf nicht nur mit dem Nützlichkeitsmaßstab gemessen werden", forderte die Ministerin. "Schulzeugnisse haben nicht die Aufgabe, über das Bleiberecht von Kindern und ihren Familien zu entscheiden." Positive Integrationsprognosen hingen von guten Integrationsangeboten ab. "Bund und Länder müssen ihren Integrationsauftrag annehmen und dürfen sich nicht darauf zurückziehen, dass eine positive Integrationsprognose alleinige Bringschuld von Kindern und Jugendlichen ist."

In Hamburg hatte zuletzt der Fall der 20-jährigen Ghanaerin Kate Amayo für Aufsehen gesorgt. Sie sollte in ihr Herkunftsland abgeschoben werden, obwohl sie perfekt Deutsch spricht und ihr Abitur mit der Durchschnittsnote 1,8 machte. Die Härtefallkommission des Hamburger Senats entschied kurz vor der Abschiebung, dass Kate Amayo in der Hansestadt bleiben darf.

Den Eckpunkten der Justizministerin zufolge sollen bisher nur geduldete ausländische Minderjährige grundsätzlich ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten - unabhängig vom Aufenthaltsrecht der Eltern. Das eigenständige Aufenthaltsrecht soll Kindern nur in Ausnahmefällen verweigert werden. Eine Abschiebung wird nach den Vorstellungen Leutheusser-Schnarrenbergers möglich sein, wenn eine "Mindestaufenthaltsdauer von zwei bis maximal drei Jahren" unterschritten oder die deutsche Sprache nicht beherrscht wird. Als Kriterium wird in dem Papier auch die "Einfügung in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland" genannt. Hierbei spielen Schulausbildung und Lebensführung eine Rolle. Eine Altersgrenze oder eine Mindestdauer des Schulbesuchs lehnt die Ministerin ab.

"Teile der Union öffnen sich langsam einer modernen Einwanderungspolitik, wie sie auf der Innenministerkonferenz diskutiert wird", stellte Leutheusser-Schnarrenberger fest. "Jetzt muss endlich gehandelt werden." Die Einwanderungspolitik werde "viel zu einseitig und viel zu ideologisch" diskutiert. "Konkrete Schritte auch für die hier lebenden Menschen stehen bislang nicht im Vordergrund." Viele Kinder, die in Deutschland verwurzelt seien und sich zugehörig fühlten, lebten "unter dem Damoklesschwert der Abschiebung". Dabei bräuchten sie Rechtssicherheit und Transparenz. "Die Frage, wo und wie man lebt, ist in jungen Jahren von besonderer Bedeutung."