Die Familen der Kundus-Opfer sollen rund 4000 Euro Entschädigung bekommen. Neue Zahlen berichten von 91 Toten durch den Luftschlag.

Berlin. Seit dem Luftschlag der Bundeswehr auf einen Tanklaster in Kundus , Afghanistan , bei dem mindestens 91 Menschen ums Leben kamen, streiten Rechtsanwälte der Opfer um eine Entschädigung. Nun können die Angehörigen auf baldige Entschädigung hoffen. Die monatelangen Verhandlungen sinnd beendet. Es steht eine angebotene Summe von 5000 Dollar (rund 3800 Euro) pro Familie fest. Bei dem Bombardement zweier Tanklaster am 4. September 2009 kamen nach neuen Zahlen auch der Bundeswehr 91 Menschen ums Leben, 11 wurden schwer verletzt. Im offiziellen ISAF-Bericht war von bis zu 142 Toten oder Verletzten die Rede. Wie viele Zivilisten und Taliban darunter waren, blieb unklar.

Das Verteidigungsministerium bestätigte am Donnerstag einen Bericht des Online-Magazins „stern.de“, nach dem pro Familie 5000 Dollar vorgesehen sind. Für jede Opferfamilie soll ein eigenes Konto in Kundus eingerichtet werden. Die Zahlungen sollen nicht offiziell als Entschädigung ausgewiesen werden, sondern als humanitäre Hilfe, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Ein unabhängiger Mittler hatte die Einzelheiten nach Gesprächen mit Dorfältesten und Angehörigen der Opfer vereinbart. Das Online-Magazin schrieb, dass die Afghanische Menschenrechtskommission einbezogen worden sei.

Das Verteidigungsministerium zeigte sich zuversichtlich. „Wir hoffen, dass es im August zum Abschluss kommt“, sagte ein Ministeriumssprecher. „Die Gespräche mit den Anwälten verliefen sehr konstruktiv bislang. Sie haben die individuelle Unterstützung von 5000 Dollar im Prinzip begrüßt.“ Das Ergebnis des nächsten Gesprächs müsse aber noch abgewartet werden.

Die Opferfamilien bekämen rechnerisch insgesamt eine Summe von 510 000 Dollar, umgerechnet fast 400 000 Euro. Die Anwälte von 456 mutmaßlichen Angehörigen hatten jedoch mindestens 3,1 Millionen Euro Entschädigung gefordert - etwa achtmal mehr.

Die Opferanwälte um den Bremer Juristen Karim Popal hatten für jeden Todesfall eine Entschädigung von rund 28 000 Euro gefordert. Bei 113 aus ihrer Sicht nachweisbaren Fällen würde sich das auf mehr als 3,1 Millionen Euro summieren. Das Verteidigungsministerium hatte Verhandlungen mit Popal Mitte April zunächst abgebrochen, weil die Mandatsfrage nicht ausreichend geklärt sei. Danach wurden 400 000 Euro Entschädigung zugesagt.

Der Bundeswehroberst Georg Klein hatte den Luftangriff angeordnet. Im April stellte die Bundesanwaltschaft ein Verfahren gegen ihn ein. Das Ministerium erkennt eine Rechtspflicht zur Entschädigung nicht an. Ein Sprecher hatte darauf verwiesen, dass Oberst Klein seine Sorgfaltspflicht bei dem Luftangriff nicht verletzt habe und der Befehl zum Luftangriff völkerrechtlich zulässig war.

Unterdessen sind bei einem Selbstmordanschlag auf ausländische und einheimische Sicherheitskräfte in der nordafghanischen Provinz Kundus sieben afghanische Polizisten getötet. Sechs Polizisten und sieben Zivilisten seien verletzt worden, als der Attentäter seinen mit Sprengstoff beladenen Wagen im Distrikt Imam Sahib in einen Konvoi steuerte, sagte Distriktgouverneur Mohammad Ajub Hakyar der Nachrichtenagentur dpa. Auch ein US-Soldat soll leicht verwundet worden sein. Die Bundeswehr war nach eigenen Angaben nicht beteiligt.

Bei einem weiteren Anschlag kamen neun Menschen in Südafghanistan ums Leben. Die Zivilisten, darunter eine Frau, seien bereits am Dienstag in der Provinz Helmand durch einen am Straßenrand versteckte Sprengfalle getötet worden, sagte ein Sprecher des Provinzgouverneurs am Donnerstag. Ein NATO-Sprecher machte die Taliban für die Tat verantwortlich, die noch immer „wahllos unschuldige Zivilisten“ angriffen, obwohl ihr oberster Führer Mullah Omar jüngst zur Vermeidung ziviler Opfer aufgerufen habe.

Die Internationale Schutztruppe ISAFteilte am Donnerstag mit, in der südafghanischen Provinz Kandahar sei es aus unbekannten Gründen zur Bruchlandung eines Militärhubschraubers gekommen. Die Maschine sei am Boden in Brand geraten. Acht der fünf Besatzungsmitglieder und

15 Passagiere hätten leichte Verletzungen erlitten. In der südwestafghanischen Provinz Farah erschossen ISAF-Soldaten nach Angaben der Schutztruppe zwei Aufständische. Am Rande der Hauptstadt Kabul wurde am Donnerstag bei einer Bombenexplosion nach Angaben des Innenministeriums ein Polizeifahrzeug beschädigt, ohne dass Insassen getötet wurden.