Städte- und Gemeindebund fordert von der Bundesregierung die Reform mehrerer Steuern und sieht die Grundlagen lokaler Demokratie gefährdet.

Hamburg. Die finanzielle Schieflage in den Städten und Gemeinden spitzt sich zu - und die Geduld der Kommunen mit der Bundesregierung ist offenbar am Ende. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) fordert von der schwarz-gelben Koalition und den Ländern kurzfristige finanzielle Hilfen und Reformen, um den kommunalen Schuldenberg abbauen zu können. Die Kommunen fürchten andernfalls, dass die "lokale Demokratie ihre Grundlage verliert", wie DStGB-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg dem Hamburger Abendblatt sagte. Durch die derzeitige Lage steige die Politikverdrossenheit weiter, betonte er. "Die Bereitschaft der Bürger, sich für die Allgemeinheit einzusetzen, sinkt."

Landsberg wies zugleich auf die dramatische Situation der mehr als 12 100 Städte und Gemeinden in Deutschland hin, die der DStGB vertritt. "Wir erleben aktuell in den Städten und Gemeinden das größte Finanzdesaster seit Bestehen der Bundesrepublik", sagte Landsberg. "Wegen der katastrophalen Finanzlage kann vor Ort nicht mehr ansatzweise das Notwendigste geleistet werden." Dies würden den Bürgern täglich beispielsweise marode Straßen oder Schulgebäude zeigen.

Vor diesem Hintergrund verlangen die Städte und Gemeinden von der Bundesregierung ein Bündel an Reformmaßnahmen, die zu einem schnellen Anstieg der kommunalen Einnahmen führen sollen. Der Forderungskatalog, der dem Abendblatt vorliegt, sieht Reformen bei der Gewerbesteuer, der Umsatzsteuer, der Grundsteuer und bei den Sozialausgaben vor.

So sieht der kommunale Spitzenverband vor, die Gewerbesteuer auszudehnen und die freien Berufe einzubeziehen, um die Steuer weniger konjunkturanfällig zu machen. "Für uns ist nach wie vor nicht ersichtlich, warum der kleine Handwerker Gewerbesteuer zahlt, aber nicht die Zahnarztpraxis, der Steuerberater oder das Architekturbüro, die genauso die kommunale Infrastruktur nutzen", begründete Landsberg die Forderung. Er betonte: "Das muss auch nicht zwangsläufig für diese Berufsgruppen zu Mehrbelastungen führen, da dafür die Einkommenssteuer verrechnet würde."

Gerade die für die Kommunen wichtigste Einnahmequelle, die Gewerbesteuer, ist infolge der Wirtschaftskrise massiv eingebrochen. Sie ging im vergangenen Jahr um 19,7 Prozent beziehungsweise um 6,1 Milliarden Euro auf 25 Milliarden Euro zurück. Zugleich steigt das Gesamtdefizit der Haushalte. Allein für 2010 erwarten die Städte und Gemeinden ein Minus von 15 Milliarden Euro. Bis Ende des Jahres, so die Schätzung, werden sich die kommunalen Schulden auf insgesamt rund 120 Milliarden Euro belaufen.

Der DStGB erwartet von der Bundesregierung auch eine Reform der Umsatzsteuer, auch bekannt als Mehrwertsteuer. Die Gemeinden erwarten, dass ihr bisheriger Anteil von 2,2 Prozent an dem Aufkommen der Umsatzsteuer erhöht wird. Zudem wollen die Kommunen die Grundsteuer modernisieren. Dazu sagte Landsberg: "Diese wird auf der Grundlage von Bodenwertbestimmungen aus dem vorletzten Jahrhundert bemessen, Steuergerechtigkeit gegenüber anderen Besteuerungsformen ist da nicht mehr zu erkennen."

Der DStGB sieht sich auch bei den Sozialausgaben benachteiligt und drängt auf Reformen. Mit den Sozialausgaben müsse man in weitem Umfang "gesamtstaatliche und gesellschaftliche Ausgaben finanzieren, ohne einen nennenswerten Einfluss auf die Ausgaben zu haben", beklagte der DStGB-Hauptgeschäftsführer. In diesem Jahr würden sich die kommunalen Sozialausgaben auf mehr als 41 Milliarden Euro summieren. Konkret fordert der kommunale Dachverband eine Entlastung bei Unterkunftskosten für Hartz-IV-Empfänger, Eingliederungshilfen für Behinderte und der Grundsicherung im Alter. "Als erster Schritt sollte in diesem Zusammenhang eine Pauschalierung der Unterkunftskosten vorgesehen werden", forderte Landsberg. "Das spart Bürokratie und stärkt die Entscheidungsbefugnisse im Einzelnen." Der Bund und die Länder müssten aufhören, zulasten der Städte und Gemeinden Sozialpolitik ausgestalten zu wollen.

Weitere Verkäufe kommunalen Eigentums oder Privatisierungen seien dagegen "keine Lösung". Zudem hätten viele Städte auch nichts mehr zu verkaufen, sagte Landsberg. "Das Tafelsilber ist weg." In vielen Kommunen seien die Ausgaben fast vollständig durch gesetzliche Bestimmungen vorgeschrieben. "Die Städte und Gemeinden stehen mit ihren Einsparmöglichkeiten vor dem Ende", so Landsberg.