Die Parteibasis sagt „Ja“ zur neuen Polit-Ehe. Hannelore Kraft (SPD) will nun Ministerpräsident Jürgen Rüttgers beerben, auch mit Hilfe der Linken.

Köln/Neuss. Der Weg zum Machtwechsel in Nordrhein-Westfalen ist frei . Am Sonnabend beschlossen Landesparteitage von SPD und Grünen mit großer Mehrheit den rot-grünen Koalitionsvertrag für eine gemeinsame Minderheitsregierung. Die SPD-Basis votierte einstimmig dafür, bei den Grünen gab es zwei Gegenstimmen. SPD und Grüne fehlt eine Stimme zur absoluten Mehrheit im Düsseldorfer Landtag, beide Parteien sind damit künftig auf wechselnde Mehrheiten angewiesen. Die Linken gaben dem Bündnis positive Signale für die Ministerpräsidentenwahl am kommenden Mittwoch. Bei einem Landesparteitag in Leverkusen empfahlen die rund 180 Delegierten ihren Landtagsabgeordneten, sich geschlossen zu enthalten. Damit könnte SPD-Landesparteichefin Hannelore Kraft im zweiten Wahlgang mit einfacher Mehrheit gewählt werden. Die elf Abgeordneten der Linken wollen aber erst am Dienstag beraten, ob sie der Empfehlung ihrer Basis folgen. SPD und Grünen fehlt im Landtag eine Stimme zur absoluten Mehrheit.

„Es ist keine einfache Konstellation. Darüber dürfen wir uns nicht hinwegtäuschen“, räumte Kraft beim Landesparteitag in Köln ein, der sie mit Ovationen feierte. Rot-Grün sei auf Stimmen aus anderen Lagern angewiesen. Das sei aber bisher keine gelebte Praxis im Landtag. Kraft rief die anderen Landtagsfraktionen zur Zusammenarbeit auf. „Fundamentalopposition und sich in die Schmollecke zurückziehen hilft dem Land nicht weiter.“

Kraft will sich zur Nachfolgerin von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) wählen lassen. Der hatte am Samstag seinen letzten großen Auftritt als Regierungschef ausgerechnet an dem Ort, wo SPD und Grüne am Montag ihren Koalitionsvertrag unterzeichnen wollen. Bei der Wiedereröffnung der Kunstsammlung NRW nahm Rüttgers ohne ein persönliches Wort Abschied. Im Nachrichtenmagazin „Focus“ kritisierte er aber den rot-grünen Koalitionsvertrag: „Ich habe noch nie ein Papier gesehen, in dem so viele gebrochene Worte drinstehen.“

Trotz der zerbrechlichen Konstruktion einer Minderheitsregierung richten sich SPD und Grüne auf eine längere Amtszeit ein. „Wir werden alles dran setzen, dass es länger hält, denn die Bevölkerung hat uns ja nicht für fünf Monate gewählt, sondern für fünf Jahre“, sagte die Landtagsfraktionschefin der Grünen, Sylvia Löhrmann, vor rund 260 Delegierten in Neuss.

Eine Minderheitsregierung sei ein neuer Weg und ein Wagnis, räumte sie ein. Sie biete aber auch die Chance auf „eine neue demokratische Kultur des Miteinanders“. Löhrmann soll Vizeregierungschefin und Schulministerin in NRW werden.

Kraft warb für die Zusammenarbeit mit den anderendrei Fraktionen vor allem in der Schulpolitik. Auch CDU und FDP wüssten, dass es ohne Reformen nicht gehe. Rot-Grün will alle Schüler länger gemeinsam lernen lassen. CDU und FDP sehen darin eine Bedrohung des Gymnasiums und haben Widerstand angekündigt. Am Donnerstag wollen SPD und Grüne schon Gesetzentwürfe für eine „kleine Schulreform“ in den Landtag einbringen.

Der neue CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann sagte der künftigen rot-grünen Landesregierung den Kampf an. Er sehe nicht, wie die CDU mit der neuen Regierung zusammenarbeiten solle, sagte er dem Bremer Weser-Kurier (Sonntag). „Wir werden die neue Regierung attackieren und jagen, aber auch Alternativen anbieten.“

Laumann kritisierte vor allem die geplante Rekordverschuldung. Rot-Grün will noch in diesem Jahr rund 2,5 Milliarden Euro an zusätzlichen Krediten aufnehmen – insgesamt dann über 9 Milliarden Euro. „SPD und Grüne erhöhen einfach die Verschuldung, damit ihre Wahlgeschenke bezahlt werden können“, sagte Laumann.

Kraft wies die Kritik zurück. Das sei die Schlussbilanz vonSchwarz- Gelb, erläuterte sie vor rund 450 Parteitagsdelegierten, die sie minutenlang mit lautem Beifall feierten. „Das lassen wir uns nicht in die Schuhe schieben.“

+++ Eckpunkte des rot-grünen Koalitionsvertrags in NRW +++

Die Linke kündigte Rot-Grün eine konstruktive, aber auch kritische Opposition an. „Die Fraktion wird keine Ja-Sage-Maschine und kein Abnick-Verein“, sagte die Bundesvorsitzende der Linkspartei, Gesine Lötzsch, beim Parteitag in Leverkusen. Die Landtagsfraktion werde ihre Zustimmung zu Regierungsanträgen an Bedingungen knüpfen, kündigte ihr scheidender Vorsitzender, Wolfgang Zimmermann, an: „Keine Privatisierungen, kein Personal- und Sozialabbau und spürbare Verbesserungen für die Mehrheit der Menschen in NRW.