Die CDU-Vorsitzende will Wogen glätten. Vor allem Gesundheitsminister Rösler wurde durch Koalitionsstreitereien beschädigt.

Berlin. Wenn sich die 93 Mitglieder der FDP-Bundestagsfraktion heute um 15 Uhr im Reichstag treffen, dann können sie einen besonderen Gast begrüßen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich angesagt, um nach den Grabenkämpfen der vergangenen Wochen die gestörte Atmosphäre zu verbessern. Die CDU-Vorsitzende werde eine kleine Rede halten, hieß es gestern in Berlin. Und sie sei auch bereit, anschließend Fragen zu beantworten. Insgesamt sei eine knappe Stunde dafür veranschlagt.

Auch wenn behauptet wurde, der Auftritt der Kanzlerin beim Koalitionspartner sei nichts Besonderes - Tenor: Fraktionschefin Homburger hat Merkel vor drei Wochen gefragt, ob sie vorbeischauen will -, so registrieren politische Beobachter doch penibel, dass es zum ersten Mal in dieser Legislatur zu einem solchen Auftritt kommt. Die Erwartungshaltung ist beachtlich. Gefragt, was er sich von der Aufwartung der Kanzlerin bei den Liberalen verspreche, sagte der Vorsitzende des Finanzausschusses, Volker Wissing, dem Hamburger Abendblatt: "Ein offenes Wort, ein klares Bekenntnis zur gemeinsamen Koalition und die Zusage, dass in den nächsten Monaten das Gemeinsame stärker betont wird."

Es sei zu wünschen, dass die Kollegen die Dinge ehrlich ansprächen, die in den letzten Wochen gelaufen seien. Auf jeden Fall werde dabei auch das jetzt erzielte Verhandlungsergebnis in Sachen Gesundheitsreform angesprochen werden müssen. "Da gibt es hohen Fragebedarf", sagte Wissing. Und das war noch vorsichtig formuliert. Steht doch FDP-Gesundheitsminister Philipp Rösler, immerhin einer der größten Hoffnungsträger seiner Partei, nach monatelangem Gerangel als der große Verlierer da. Denn jetzt kommt, was Rösler immer verhindern wollte - die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge ohne Systemreform.

Andere Wege, das Elf-Milliarden-Loch bei den gesetzlichen Kassen zu stopfen, waren am Widerstand des CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer gescheitert. Die Kanzlerin hatte Rösler zur Empörung der Liberalen keine Unterstützung angedeihen lassen. "Es bleibt die Frage, wie es in der Gesundheitspolitik weitergeht. Das hat auch Einfluss auf unsere Steuersystem", sagte Wissing. Und fügte an: "Es ist sehr viel Nein gesagt worden in den vergangenen Monaten, aber es wurde nicht klar, was stattdessen passieren soll. Da wäre der eine oder andere Hinweis jetzt hilfreich."

Dass Merkel sich heute auf programmatische Debatten mit den gedemütigten Liberalen einlassen wird, wird in Berlin allerdings bezweifelt. Die CDU-Vorsitzende will nach den gegenseitigen Verletzungen der vergangenen Wochen die Besinnung der Koalition auf ihre Grundlinien und deren Mannschaftsleistung verbessern. FDP-Generalsekretär Christian Lindner kann das nur begrüßen. Er sprach gestern von einem "Gedankenaustausch" mit der Regierungschefin, "zu der wir stehen". Damit werde eine "gute Tradition" begründet. Der Besuch habe "atmosphärische Bedeutung". Besprochen werden solle unter anderem, wo die Koalition "besser kommunizieren" könne.

Einen ähnlichen Ansatz hatte das CDU-Parteipräsidium, das gestern beschloss, nach der Sommerpause eine Klausurtagung zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls einzuberufen. Merkel sagte auf der Sitzung, "dass das, was vor uns steht, alle in die Pflicht nimmt". Damit reagierte sie auch auf die deutliche Kritik, die ihr nach der fast verpatzten Bundespräsidentenwahl entgegengeschlagen war. Von der CDU-Spitze bekam sie nun wieder Rückendeckung. Etliche Mitglieder warnten davor, einseitig nach Schuldigen für den Denkzettel zu suchen, den Schwarz-Gelb sich bei der Wahl des Bundespräsidenten selbst verpasst hatte. Finanzminister Wolfgang Schäuble hatte noch am Wochenende erklärt, den Abweichlern sei es in Wahrheit um Angela Merkel gegangen. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen wies diese Einschätzung zurück: "Wenn ein Denkzettel ausgeteilt wurde, dann ist er für die gesamte Regierung und für die gesamte christlich-liberale Koalition ausgeteilt worden", sagte sie vor Journalisten. Es gebe kein Führungsproblem.

Die Parteispitze sei sich darin einig, dass die CDU aus dem Unmut lernen müsse, der sich bei der Bundespräsidentenwahl gezeigt habe, fasste Generalsekretär Hermann Gröhe nachher das Stimmungsbild zusammen. Dazu müsse sie das Mannschaftsbild verbessern, die widerstreitenden Interessen ausgleichen und die Erfolge stärker vermitteln. Ziel sei eine "Politik aus einem Guss". Dieses Ziel wird grundsätzlich auch der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle verfolgen müssen, der heute um 15 Uhr als Mitglied des erweiterten Fraktionsvorstandes dabei ist, wenn Angela Merkel "vorbeischaut".